Jetzt ist es mir doch wieder passiert – und ich dachte ich hätte mitlerweile ein Auge dafür entwickelt Probleme im Bewegungsapparat meiner Schüler zu erkennen. Leider reicht es als Trainer nicht genau zu beobachten – man muss sich auch gezielt Informationen zur Verletzungs-Geschichte von seinen neuen Schützlingen abholen. Natürlich frage ich jeden, der durch meine Tür kommt nach medizinischen Problemen – aber in diesem Fall habe ich wohl nicht genau genug gefragt:
Eine neue Schülerin kam in mein Studio, noch relativ jung und sportlich. Sie hat mit Taekwondo angefangen und ist schon in den ersten Wochen auch in meinen Kettlebell-Anfängerkurs eingestiegen. Da sie ist sehr motiviert ist und da sie auch auf Details achtet wollte, ist sie zusätzlich noch zu ein paar Einzelstunden gekommen. Erst bei der zweiten Einzelstunde ist mir aufgefallen, das sie beim Pandae Dollyo Chagi (Fersendrehschlag) häufig aus dem Gleichgewicht kommt wenn sie dabei auf dem linken Bein steht. Ihr selbst war das auch schon aufgefallen – aber sie hat sich anfänglich wohl nichts dabei gedacht.
Zu meiner Ehrenrettung muss ich anmerken, dass dieser Kick die schwierigste, nicht gesprungene Beintechnik im Taekwondo ist, viele Anfänger haben damit ihre Probleme.
Nachdem mir das Problem in ihrer Technik aufgefallen war, habe ich zunächst beide Seiten miteinander verglichen und dabei erkannt, dass sie, wenn sie auf dem linken Bein steht bei dem Kick einen eigenartigen „Hüpfer“ macht, statt wie auf der anderen Seite das Standbein einfach mitzudrehen. Als ich sie darauf ansprach sagte sie „Ach das liegt an meinem Sprungelenk – da bin ich schon 5 mal operiert worden“ – da hat er aber doof geguckt, der Flo…
Nach dem die Problemstellung dann endlich geklärt war, konnte ich meiner Schülerin schnell ein paar Übungen zur Mobilisation ihres Sprunggelenks zeigen, die auch unmittelbar eine Verbesserung brachten. Natürlich wird sie bei dieser Vorgeschichte das Thema dauerhaft begleiten – aber mit gezielter Mobilisation kann sie auch in Zukunft normal und vor allem beschwerdefrei trainieren. Hätte ich nicht versäumt meinen Fragebogen mit ihr durchzugehen, hätten wir früher mit der Mobilisation anfangen können und wären jetzt bestimmt schon weiter.
Wir verdrängen unsere Zipperlein all zu gern
Das Menschen, wenn sie nach medizinischen Problemen gefragt werden, grundsätzlich die Hälfte vergessen ist mir schon öfter aufgefallen. Selbst so nebensächliche Kleinigkeiten wie versteifte Lendenwirbel wird gerne mal vergessen – alles was nicht akut schmerzt, fällt unseren Verdrängungsmechanismus zum Opfer. Deswegen habe ich mir schon vor Jahren einen Erstanamnese-bogen gebastelt, auf dem ich gezielt jedes wichtige System des Körpers abfrage – leider habe ich den diesmal nicht benutzt. Diese akribische Ausfragerei ist zwar lästig, besonders für den neuen Schüler, der eigentlich loslegen will und nicht haufenweise dumme Fragen beantworten – aber sie erspart später so manche böse Überraschung. Vor allem gibt sie mir als Trainer die Sicherheit zu wissen, mit wem ich es zu tun habe und worauf ich achten muss.
Fragen, die Du jedem Neuen stellen musst:
- Name – klingt selbstverständlich, aber schreib alle Namen auf, manchmal gibt es Namen, die einfach nicht im Hirn hänge bleiben wollen.
- Alle Kontakt Informationen – Hole Dir bei jedem Erstkontakt alle Kontaktinformationen, mindestens aber Telefon und Email.
- Größe, Gewicht – Auch wenn es manchmal unangenehm ist danach zu fragen – es ist im Verlauf des gemeinsamen Trainings eine wichtige Information. Mein Fragebogen hat einen abgegrenzten Kopfteil, den ich vom neuen Schüler selbst aufüllen lasse – so muss ich oft nicht danach fragen. Für den Fall das jemand sein Gewicht nicht kennt, habe ich eine Waage im Studio.
- Aktuelle Krankheiten – alle Krankheiten ob akut oder chronisch.
- Umfassende Krankengeschichte – alle schwereren Krankheiten, Verletzungen oder Operationen bis zurück in die Kindheit.
- Frage hier nach jedem Gelenk einzeln.
- Frage nach Herz-Kreislauf Erkrankungen.
- Stoffwechselstörungen und so weiter….
- Frage nach dem Alltag –
- Welcher Beruf wird ausgeübt?
- Wieviel im sitzen?
- Wieviel Zeit am Bildschirm?
- Wie ist die familiäre Situation
- Frage nach Sport –
- welche Sportarten werden oder wurden bereits ausgeübt? –
- Auf welchem Level?
- Gibt oder gab es Wettkämpfe? Sind gerade welche geplant?
- Frage nach der Ernährung – Auch wenn Du kein Fachmann für Ernährung bist solltest Du dieses Thema nicht gänzlich ausser acht lassen. Ein beispielhafter Speiseplan, Vorlieben und Abneigungen, sowie Trinkgewohnheiten geben Dir einen allgemeinen Überblick.
- Frage warum derjenige zu dir kommt – zum einen ist das eine wichtige Information um weiterhin neue Schüler zu gewinnen, zum andren leitest Du so die Gedanken Deines Gesprächspartners schon in Richtung seiner Ziele.
- Frage nach Zielen – diese sollte SMART sein:
- Simple (einfach),
- Measurable (messbar),
- Achievable (erreichbar),
- Realistic (realistisch),
- Timed (zeitlich festgelegt)
- Frage für jedes Ziel nach dem Warum – Warum ist es für Dein Gegenüber wichtig genau dieses Ziel zu erreichen, was steckt dahinter? Die Antwort sollte dir unbedingt etwas über die Gefühlswelt und die Bedürfnisse dahinter verraten – akzeptiere hier keine Allgemeinplätze.
Wenn Du diesen Fragenkatalog…
mit jedem, der durch Deine Tür kommt durcharbeitest, erreichst Du zwei Dinge:
- Du vermeidest peinliche Pannen wie die meine.
- Du vermittelst Deinem neuen Schüler das Gefühl, dass Du dich für sie/ihn interessierst und das sie/er bei Dir gut aufgehoben ist.