50 – 80 % meines Kettlebell-Trainings bestreite ich mit nur zwei Übungen: Swing und Getup. Pavel nennt es in seinem Buch ‚Kettlebell Training‘ das Programm Minimum. Die anderen vier RKC Übungen Squat, Clean, Military Press und Snatch machen weitere 10 bis 30 % meines Trainingsvolumens aus.
Ich kann mir ohne Probleme vorstellen, mich ausschliesslich auf das Programm Minimum zu beschränken – ich bin sicher, mir würde nicht langweilig werden und meine Leistungsfähigkeit würde sich weiterhin verbessern.
Bedeutet das, dass man ausser den Big 6 nichts weiter braucht, um in Bestform zu kommen? – absolut! Wer die Voraussetzungen von Pavels Rite of Passage (10 Minuten Snachttest und halbes Körpergewicht im Military Press) erfüllen kann, ist, was seine Fitness betrifft, sicherlich weltweit bei den oberen 10 % angesiedelt. BITTE jetzt NICHT los laufen und einfach mal ausprobieren wie weit Du kommst – es brauch umfangreiche und gezielte Vorbereitung – ohne diese ist es mehr als GEFÄHRLICH!
Und doch bietet das RKC II Programm noch 6 weitere Übungen – die so genannten Advanced Basics.
Was bedeutet Advanced Basics?
Fortgeschrittene Grundlagen – das bedeutet, dass diese 6 Übung alle sowohl technisch als auch bezüglich der körperlichen Voraussetzungen sehr fortgeschritten sind, sie aber die gleichen fundamentalen Bewegungsmuster bearbeiten wie die Big 6.
Manche dieser Übungen sind einfach eine weiterführende Variante einer Big 6 Übung, die es ermöglicht trotz relativ leichter Kettlebells weiter Fortschritte zu machen:
Big 6 Basis Übung
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Fortgeschrittene Variante
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Anmerkung
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Military Press
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Push Press, Jerk
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Wobei der Jerk eine Weiterführung des Push Press darstellt.
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Squat
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Pistol
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Die restlichen 3 ergänzen das Reperoir auf andere Weise:
Windmill und Bent Press wiederum ergänzen die Big 6 indem sie mehrere Aspekte kombiniert trainieren und die lateralen Muskelketten verstärkt betonen.
Last but not least ergänzt der Tactical Pull Up die RKC Welt um eine Oberkörper-Zugkraft-Übung. Zugübungen haben wir in den Big 6 jede Menge: Swing, Clean, Snatch und Dead Lift aber alle bis auf die letzte sind dynamische Übungen.
Die Advanced Basic-Übungen:
Bitte nehmt das folgende NICHT als Trainingsanleitung – für alle beschriebenen Übungen braucht es gezielte und fachgerechte Anleitung! Kommt lieber zu meinem Beyond the Big Six – Workshop und lernt aus den Fehlern die ich schon gemacht habe 😉
Wer diese Übungen nur aus eine Buch oder von YouTube lernt, beschwört fast unweigerlich Probleme oder Verletzungen herauf!
Der Push Press
ein Press der durch ein kurzes Schwung holen mit den Beinen unterstützt wird. Erfordert eine gute „Reflex“-Stabilisierung des Rumpfes, um die auftretenden Kräfte sicher abzufangen – keine Anfängerübung.
Die Übung ergänzt den Over Head Press mit einem dynamischen Element, und eignet sich darum hervorragend für hohe Wiederholungszahlen und Herz Kreislauf-Conditioning.
Mit der Kettlebell in Rack Position lässt man sich in eine leichte Kniebeuge fallen (etwa 25% ROM) und steht explosiv wieder auf. Wenn der Rumpf ordentlich stabilisiert ist, überträgt sich er Schwung des Aufstehens auf die Kettlebell und diese wird hochkatapultiert. Wenn die Kugel ihren Schwung verbraucht hat, drückt man sie wir beim Military Press in den Lockout.
Senior RKC Robert Rimoczi demonstriert seine Lieblingsübung:
Der Jerk
ein „dynamischer Press“, bei dem die Kugel vollständig durch die Kraft der Beine in den Lockout gebracht wird. Techisch und koordinativ sehr anspruchsvoll. Voraussetzungen wie beim Push Press.
Im ersten Abschnitt der Übung ist sie identisch mit dem Push Press. Wenn die Kugel aber ihren Schwung aufgebraucht hat, lässt man sich schnell in eine zweite kurze Kniebeuge fallen, wobei der Arm, der die Kugel unterstütz, in den Lockout gebracht wird. Zum Schluss steht man einfach mit der Kugel im Lockout auf. Wenn richtig ausgeführt, entsteht das Gefühl, dass die Kugel wie von selbst in den Lockout fliegt. Nach dem Training spürt man dann wie stark die Arme und Schultern arbeiten mussten.
RKC Team Leader Michael Krivka demonstriert die einarmige Variante:
In diesem Blogpost vom früheren RKC Master Jon Engum, erklärt er, warum die einarmige Variante für die meisten besser geeignet ist als die mit zwei Kugeln. Die Version, die Jon in seinem Programm verwendet, ist der sogenannte Long Cycle, das bedeutet, dass vor jedem Jerk ein neuer Clean gemacht wird. Der Long Cycle verschiebt den Schwerpunkt des Training stark in Richtung Herz-Kreislauf-Conditioning. Mit zwei Kugeln ausgeführt mit das brutalste, was man sich so antun kann.
Senior RKC Robert Rimoczi zeigt die Variante mit zwei Kugeln;
Die Windmill
eine Übung, der die lateralen (seitlichen) Muskelketten fordert. Mit dieser Übung kann beginnen, wer bereits eine gute Rumpfstabilisierung hat und diese mal von einem anderen Winkel trainieren will.
Nochmal Robert mit der Windmill:
Der Bent Press
der stärkste Press, den wir kennen, die Hantel wird in den Lockout gebracht, indem man darunter taucht und sich anschliessend wieder damit aufrichtet. Technisch und mobilitätsmässig sehr anspruchsvoll. Bei dieser Übung gibt es eine Windmill- und eine Squat-Variante.
Der frühere Master RKC Irontamer Dave Whitley zeigt, wie es geht (Nett zu sehen dass er noch so entspannt erkären kann, während er eine 48kg Kettlebell presst):
Die Pistol
Eine Kniebeuge auf einem Bein, mehr muss ich glaube ich nicht sagen. Nicht zum Anfangen geeignet. Wer aber die Zeit investiert, sich diese Übung gezielt zu erarbeiten, der bekommt ein ultimatives Werkzeug für funktionales Beintraining.
Mal ein Video von mir selbst:
Tactical Pull Up
Der Klimmzug mit offenem Obergriff. Um es spannender zu machen, hängen wir noch die eine oder andere Kettlebell an den Fuss oder einen Gewichtsgürtel um. Schwung holen (sog. Kipping) ist natürlich verboten.
Diese Übung ist mein ganz persönliches Waterloo ;-(
Was ist der Unterschied zum herkömmlichen Klimmzug?
„Den“ Klimmzug gibt es meines Erachtens nicht – Klimmzug ist eher eine Kategorie als eine bestimmt Übung. Wer eine gute Aufstellung der verschiedenen Varianten und Nuancen sucht wird in Al Kavadlo’s Buch Raising the Bar fündig. Der Tactical Pull Up ist die striktest mögliche Form dieser Übung. Das „Tactical“ kommt daher dass diese Version die einzige ist, die für Einsatzkräfte sinn macht: Wenn ich mich auf eine Mauer hochziehen muss ist der offenen Obergriff (ohne Daumen) die einzig praktikable Griffvariante. Habe ich dabei noch 20+ kg Marschgepäck am Körper wird mir ein ausgefeiltes kipping kaum mehr weiterhelfen können. Es handelt sich sozusagen um die Hardstyle Variante eines herkömmlichen Klimmzugs – maximaler Power Output, darum maximale Ausbeute an Trainingsreizen.
Gyutae, einer meiner RKC II Kamerad aus Korea, demonstriert seinen beeindruckenden Tactical Pull Up.
Wer diese Übungen richtig lernen will, der kann das Ende Juni in meinem Beyond Big Six – Workshop
Dieser Artikel ist zum ersten mal am 23. Feb 2013 erschienen.