Erfolg eingebaut: Die Methode der 4 Kompetenzen von Rolando Garcia

Der einzige Vortrag auf der Health and Strength Konferenz, der sich nicht unmittelbar mit Training oder Gesundheit beschäftigte, kam von Rolando Garcia III. Rolando ein sympathischer New Yorker ist Leiter des VIP Bereichs des renommierten Equinox Gym. Wer in den Genuss der Dienste von Rolando und seinem Team kommen möchte, muss dieses Privileg mit 23000 $ im Jahr vergüten.

Rolando Garcia III

Rolando Garcia III bei seinem Super Vortrag auf der DragonDoor Konferenz

Rolando startete als Floor Manager bei Equinox (das sind die, die rumliegende Handtücher und Hanteln wegräumen) und arbeitete sich in bemerkenswert kurzer Zeit zum Personal Trainer hoch. Als Personal Trainer war er so erfolgreich, dass sein Rekord der meisten verkauften PT Stunden in einem Monat eines einzelnen Trainiers bis heute ungeschlagen ist. Später übernahm Rolando verschiedene (echte) Management Funktionen bis er letztlich die Möglichkeit bekam seine heutiges Team zusammenzustellen und auch zu leiten.
Wenn Rolando also darüber spricht, was es bedeutet in der Fitness Branche erfolgreich zu sein, dann lohnt es sich zuzuhören.

Herausforderungen voraus!

Als intimer Kenner der Fitnessbranche erklärte Rolando gleich zu beginn seines Vortrags was sich in den kommenden Jahren zur stärksten Konkurrenz für alle entwickeln wird die Fitness als Dienstleistung anbieten: Der Trainier in der Hosentasche oder neudeutsch die „Wearable Technolgie“ wird in den kommenden Jahren eine immer stärkere Alternative zum echten Trainier werden. Schon heute können Smartwatch und Co einiges zur Fitness seiner Benutzer beitragen. Apps schlagen Trainings- oder Ernährungspläne vor und überwachen Puls, Schlaf sowie sportliche Aktivitäten. Die Washington Post testete kürzlich 30 IPhone Fitness Apps. Zwar war das Ergebnis erwartungsgemäß schlecht (nur eine der 30 wurde als gut befunden) aber trotzdem wurde durch den Test nachgewiesen das eine App für $3,99 sinnvolle Trainingsempfehlungen geben kann. Zum Glück für uns Trainier hat derzeit nur einer von 30 Software-Herstellern das Know How eine solche App zu programmieren – aber das wird sicher nicht so bleiben.
Auch der beste Trainer muss Geld verdienen. Um so wichtiger wird es für alle die in der Fitness Brache Geld verdienen wolle, zu wissen worauf es ankommt. Klar sind die meisten die in diesem Bereich aktiv sind Überzeugungstäter, aber ohne Geld geht es nun mal nicht. Ich selbst haben meinen wirklich gut bezahlten IT-Job vor 6 Jahren hinter mir gelassen um ein Kettlebell und Kampfsport Gym zu eröffnen, weil ich einer Tätigkeit nachgehen wollte die mich erfüllt und mit der ich meinen Mitmenschen unmittelbarer helfen kann als mit der Erstellung von Software.

Rolando brachte es sehr gut auf den Punkt: Du kannst der tollste Trainer der Welt sein, mit dem umfassendsten Wissen, den besten Methoden und ehrenhaftesten Absichten – wenn Du aber nur 10 Leute trainierst, ist der Einfluss, den Du auf Deine Umwelt ausübst, minimal und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Du früher oder später im Supermarkt Regale einräumen gehst, um über die Runden zu kommen.

Die 4 Kompetenzen erfolgreicher Trainier

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Die 4 Kompetenzen erfolgreicher Trainier von Rolando Garcia

Laut Rolando sind es vier Kompetenzen die jeder Trainer der sich erfolgreich in der Fitness Branche möchte beherrschen sollte:

Die Technische Expertise

Wie jeder in der Fitnessbranche weiß, ist es für geschäftlichen Erfolg in diesem Umfeld nicht ausreichend, wissen über Techniken und den Trainingsprozess zu haben. Genau genommen ist es nicht einmal nötig, wie die vielen ständig auftauchenden und wieder verschwindenden Fitnesshypes beweisen. Nur derjenige, der sich langfristig auf dem Markt behaupten will, muss Qualität und Ergebnisse liefern – für einen schnellen Reibach reicht eine gut klingende Idee und ein großes Marketing Budget.

Die technische Expertise ist außerdem auch die seltenste Ursache für geschäftliche Misserfolge in dieser Branche – klar lässt sich hier über Einzelheiten trefflich streiten, aber letzten Endes sind die meisten in diesem Feld Überzeugungstäter und wissen schon aus diesem Grund in der Regel mehr über den Trainingsprozess als die meisten unserer unbedarften Mitmenschen.

Trotzdem: Wer sich als Trainer langfristig in seinem Umfeld behaupten will, der ist gut beraten sich ständig weiter zu bilden und sein Wissen und seinen Fertigkeiten zu verfeinern.

Kundenpflege

Die zweite unerlässliche Kompetenz eines erfolgreichen Trainers ist die Fähigkeit, Menschen von der eigenen Expertise zu überzeugen und sie über lange Zeit bei der Stange zu halten. Dazu, so Rolando, gibt es zwei grundlegende Strategien, die beide das Ziel verfolgen, den Trainer in den Augen seines (potentiellen) Kunden sympatisch erscheinen zu lassen, denn wer kauft schon bei einem unsympatischen Zeitgenossen.

  • Die erste Strategie nennt sich PACT. Es handelt sich um ein Acronym für praise (loben), assist (helfen), correct (korrigieren) und teach (lehren). Diese Strategie findet hauptsächlich Anwendung im Erstkontakt und ist dafür gedacht, dem (unbekannten) Gegenüber eigene Expertise zu zeigen ohne dabei herabzuwürdigen oder eine Abwehr auszulösen.
    Stell Dir folgende Situation vor: Ein Trainer läuft durch sein Studio und sieht einen Kunden bei einem echten Klassiker des falsch verstandenen funktionalen Trainings (sagen wir Langhantel Kniebeugen auf dem Pezziball). In seinem Kopf läuft sofort der Film ab, wie der Kunde von seinem Ball purzelt und sich den Kopf am nebenstehenden Powerrack anschlägt. Als ehrlicher und fürsorglicher Mensch, der er ist, geht er zu dem Zirkusartisten und erklärt ihm, dass er diese Übung hier nicht machen kann! Erstens ist die Verletzungsgefahr viel zu hoch und außerdem ist seine Kniebeuge ja eh viel zu schlecht für solche Aktionen. Wie glaubst Du wird der derart Zurechtgewiesene auf diese Zurschaustellung geballten Trainer-Knowhows reagieren. Genau – er sucht sich ein anderes Gym.
    Nach der PACT Strategie würde die Situation folgendermaßen ablaufen: Der Trainer beobachtet unseren Artisten, geht zu ihm und lobt ihn wegen seiner Körperbeherrschung (P_raise), er bietet an, ihm die Langhantel nach dem Ende des Satzes abzunehmen (A_ssist). Nachdem der Kunde wieder sicher auf seinen Beinen steht, schlägt der Trainer ein paar Änderungen an der Übung vor, um diese etwas sicherer zu gestalten (C_orrect), nachdem die beiden die korrigierte Übung zusammen einmal durchgespielt haben, meint der Trainier zu seinem Schützling in Spe: „Du, wenn Du so gut bei den Kniebeugen bist, dann müsstetst Du ja ordentlich Gewicht bewegen können! Wollen wie das mal kurz zusammen probieren?“ Die beiden gehen zum Powerrack und der Trainer coacht eine ordentliche Kniebeuge (T_each). Der Kunde in Spe ist angetan davon wie viel Gewicht er tatsächlich bewegen kann (fast 70 % Körpergewicht) und hat am nächsten Tag ordentlich Muskelkater, weil er zum erstem mal im Leben eine richtige Kniebeuge gemacht hat. Zwei Tage später treffen sich die beiden im Studio und sprechen beiläufig über Personal Training und wie schnell das einen doch weiter bringt. Das Gespräch endet damit das der Trainer einen neuen Personal Training Kunden akquiriert hat.
  • Die zweite Strategie heißt TACT und kommt bei Umgang mit Bestandskunden zur Anwendung: Es bedeutet übersetzt thank (bedanken), acknowledge (bestätigen), challenge (fordern) und thumbs up (Daumen hoch).
    Stellen wir uns vor, wie eine fiktive Situation nach dem TACT System ablaufen würde: Ein Trainer und sein Kunde sind mitten in einer PT Stunden. Dem Kunden fällt es heute schwer, er hat nicht gut geschlafen und hatte einen stressigen Tag. Als dem Trainer auffällt, dass sein Schützling sich heute mehr quält als gewöhnlich, spricht er es an und macht ein Kompliment das er trotzdem am Ball bleibt und die Stunde nicht abgesagt hat (T_hank), er erklärt ihm das es wichtig ist seine Tagesform im Training zu berücksichtigen, lobt für den (trotzdem) gezeigten Einsatz (A_cknowledge) motiviert ihn an seine Grenzen zu gehen (C_hallange). Am Ende des Trainings erklärt er nochmal, wie gut die Trainingsleitung trotz der widrigen Umstände war und das er sich auch die nächste Stunde freut.
    Eine weniger TACT-voller Trainier würde in der gleichen Situation zum Beispiel meckern, dass der Kunde sich doch bitte nicht so gehen lassen sollte und gefälligst ein bisschen mehr Einsatz zeigen – letzte Woche hat er sich ja bei gleichen Übungen auch nicht so angestellt.
    Ratet mal welcher Kunde lieber wieder kommt…

 Verkauf

Viele leidenschaftliche Trainer haben hier tatsächlich ein Problem mit ihrer Einstellung. Sie denken, wenn ich doch etwas machen, das mir Spaß macht und das mich erfüllt, dann kann es doch nicht in Ordnung sein, dabei hinterm Geld her zu sein. Diese Einstellung ist schlicht falsch – klar, wenn Geld verdienen in einem so Menschen bezogenen Betätigungsfeld wie dem Fitness Bereich zum alleinigen Ziel wird, dann läuft definitiv etwas schief, aber es darf deshalb trotzdem nicht vernachlässigt werden. Wer langfristig gute Qualität liefern will, kann das nur aus einer stabilen Situation heraus – und kaum etwas nimmt einem schneller die Standfestigkeit als ständige Geldsorgen!
Egal ob Trainier oder der Betreiber eines Gyms jeder muss sich, wenn er Erfolg haben will, bemühen zu lernen, wie man seine angebotenen Leistungen effektiv verkauft. Es ist eine Fertigkeit wie jede andere und genau so muss diese erlernt und ständig verbessert werden.
Zum Glück ist es nicht nötig alles durch Versuch und Irrtum zu lernen – es gibt genügend Literatur und Kurse zu dem Thema wo man sich hervorragend informieren und weiterbilden kann.
Das Buch „Everybody needs Training“ von Danny Kavadlo oder das Buch „Ignite the Fire“ von Jonathan Goodman sind hier ein guter Einstieg.

Geschäftsentwicklung und Strategie

Die letzte und ebenso Erfolgs-kritische Kompetenz, die jeder Trainer mitbringen muss, ist die Fähigkeit sein Geschäft oder seine Trainerkarriere strategisch zu planen und zu steuern. Wer sich einfach treiben lässt, der kommt in der Regel nie irgendwo an – und wenn doch, kann es passieren, dass er seine Chance nicht erkennt, wenn sie sich bietet. Der Weg zum Erfolg führt nicht immer gerade aus und ganz sicher nicht immer bergab. Sich im Klaren zu sein welchen Werten man sich verpflichtet, welche Vision einen antreibt, welche Mission und strategischen Ziele man verfolgt, entscheidet darüber, ob man als Trainier einen schlecht bezahlten Job ausübt oder sich ein Leben in einem Beruf aufbauen kann, den man liebt.
Solche Entscheidungen und Planungen müssen bewusst getroffen und regelmäßig auf ihre Gültigkeit geprüft werden. Dafür braucht es Zeit und Muse, die fest in den Alltag eingebaut werden muss. Mindesten ein mal im Quartal sollte jeder Trainier sich einen halben Tag Zeit nehmen, um über sein Geschäft, seine Ziele und Pläne nachzudenken. Wird diese Zeit nicht fest eingeplant geht es garantiert im Alltag unter.

Mache Dir regelmäßig Gedanken über:

  1. Welche Werte machen Deine Arbeit aus?
  2. Wie sieht Deine Vision aus?
  3. Was ist deine Mission?
  4. Welche Ziele willst Du erreichen?
  5. Welche strategische Veränderungen kommen auf Dich zu?
  6. Was machst Du in 6 oder 12 Monaten, was in 3 oder 5 Jahren?

Wenn Du Dir solche Fragen regelmäßig stellst, fällt es Dir im Tagesgeschäft leichter, richtige Entscheidungen zu treffen und Probleme rechtzeitig zu erkennen. Auch die Kommunikation mit Mitarbeitern und Partnern wird klarer und zielgerichteter, Missverständnisse sind leichter zu vermeiden.

Fazit

Als Trainer genügt es nicht sich in seinem Sport auszukennen – jeder Trainer ist bis zu einem gewissen grad ein Unternehmer und wer erfolgreich sein möchte, muss noch einige andere Fertigkeiten meistern. Die gute Nachricht ist, dass sich diese Fertigkeiten genau wie im Sport erlernen und mit Übung verbessern lassen.

Erfolg ist kein Zufall, sondern das Ergebnis konsistenter Anstrengung. Du musst nicht alles richtig machen, sondern nur die richtigen Dinge immer wieder machen!

Disclaimer: Wie immer bei dieser Artikelserie über die Vorträge der Dragondoor Konferenz gehen alle sachlichen Fehler auf mein Konto!

Viel Erfolg!

Keynote: Wie voll ist Dein Stressbecher? – oder wie lässt sich allostatische Belastung steuern

Dies ist der erste von mehreren Artikeln über die Vorträge auf der ersten Dragondoor Health and Strength Konferenz. Ich war der einzige Nicht-Amerikaner unter den etwa 90 Teilnehmern.  Trotz meiner anfänglichen Bedenken ob so eine Konferenz ohne Praxis denn wirklich etwas bringt, war es den Flug nach Minneapolis auf alle Fälle wert.
Die 13 Referenten brachten alle ihre eigenen Ideen zum Thema Training und Gesundheit mit und so ergab sich ein tolles Gesamtbild mit haufenweise neuen Anregungen und Einsichten.

Die Teilnehmer der ersten Dragondoor Health & Strength Conference in Minneapolis (wer findet mich 😉

Schon der Eröffnungsvortrag von Dr. Chris Hardy, Mitautor des Buches „Strong Medicine“ und des gleichnamigen Blogs, hat mich echt umgehauen, weshalb ich die Infos daraus, im folgenden Artikel mit euch teilen möchte:

Das Thema des Vortrags war „Managing the stress cup“ und es war darum so interessant, weil es tatsächlich jeden betrifft, egal ob Trainer, Sportler oder auch jeden anderen Menschen.  In dem Vortrag erklärte Chris Hardy wie Stress im Alltag unser Training beeinflusst und wie wir diesen steuern können, um trotzdem Fortschritte zu machen und gesund zu bleiben.

Dr.  Hardy begann seinen Vortrag mit einer kleinen Demonstration: er hatte einige Becher und einen großen Krug Wasser mit auf die Bühne gebracht.  Diese Stressbecher repräsentieren die Gesamtmenge an Stress, die jeder Einzelne verträgt.  Die individuelle Größe des Bechers wird bestimmt durch Faktoren wie Alter,  Gesundheitszustand und auch körperliche Voraussetzungen. So hat ein gut trainierter Personaltrainer in den dreißigern in der Regel einen eher großen Becher,  während seine Kundin in den fünfzigern mit 15 kg Übergewicht einen eher kleinen Becher haben wird.
Zusätzlich zur Größe des Bechers kommt es auch darauf an, wieviel sich bereits darin befindet. Was befüllt nun unseren Stressbecher?  Hier gibt es massenweise Faktoren:

  • Schlaf (-Qualität)
  • Arbeitsumfeld
  • Sorgen
  • Familiäre Situation
  • Und noch viele mehr…

Unser oben erwähnter Trainer, alleinstehend, Freiberufler mit 20 Wochenstunden hat seinen grossen Becher nur wenig befüllt und kann darum im Training richtig Gas geben und schöne Fortschritte machen. Sollte er doch mal übers Ziel hinaus schießen, schläft er am nächsten Tag einfach ein paar Stunden länger und ist abends wieder fit.
Seine Kundin, Mutter von 3 Kindern mit einem ungeliebten Nebenjob und Eheproblemen (wegen dem vielen Geld, das der Personal Trainer jeden Monat bekommt) kommt schon mit recht vollem Becherchen ins Studio.
Geht ein Trainer nur von seiner eigenen „Kapazität“ aus – Motto: „Ich hab ein Sixpack, weil ich viel trainiere, ergo musst du auch mehr trainieren, wenn du eines willst…“   – führt das bei seinem „Opfer“  zwangsläufig dazu, dass der Stressbecher bei jedem Training überflutet wird.

Hab ich denn auch so einen Stressbecher?

Stressbecher

So könnte Dein Stressbecher aussehen…

… fragst Du Dich jetzt vielleicht – keine Sorge dazu komme ich jetzt. Klar hast du einen und er bestimmt wieviel Stress Du insgesamt verträgst und auch wie viel du brauchst, um die im Training erwünschte Anpassungsreaktion Deines Körpers auszulösen.  Bleibt Dein Becher immer leer,  hat dein Organismus keinen Grund sich zu verändern und stärker zu werden, läuft der Becher aber ständig über,  kannst du nicht regenerieren und damit sind Fortschritte ebenfalls unmöglich. Dein Ziel muss also sein, Dein Training so zu dosieren,  dass du möglichst exakt die verfügbare Restkapazität ausschöpfst, ohne weit darüber hinaus zu schießen.

In der Fachsprache, spricht man davon, die allostatische Belastung so zu steuern, dass genügen Reize für eine Anpassungsreaktion gesetzt werden, aber gleichzeitig nicht so viel, dass der Sportler mit dem Regenerieren nicht mehr hinterher kommt. Dieser optimale Bereich wird das hormetische Fenster genannt.

Stress ist gut und wichtig

Jede Weiterentwicklung braucht einen ausreichend starken Anreiz,  bleibt dieser aus, tut sich nichts oder Du baust sogar ab. Stress ist der Faktor, der uns als Menschen und Sportler wachsen lässt. Ein Problem wird dieser Stress erst, wenn er langfristig anhält und somit keine Regeneration mehr möglich ist.
Alles, was von deinem Gehirn als Stress bedrohlich bewertet wird, erzeugt Stress. Auch wenn keine echte Bedrohung existiert, laufen die gleichen physiologischen Mechanismen ab, wie bei unseren Vorfahren, die sich unversehens mit einem hungrige Höhlenbären konfrontiert sahen.  Das Gehirn schaltet auf Kampf oder Flucht Modus und die Amygdala schüttet Stresshormone aus. Dieses System ist erstklassig dafür geeignet eine Begegnung mit wütenden Höhlenbären zu überleben, führt aber, wenn es dauerhaft aktiv ist, zu massiven gesundheitlichen Problemen.  Zum Glück gibt es in unserem Gehirn zwei Mechanismen, die der Stressreaktion entgegenwirken können. Diese heissen Hypocampus und parafrontaler Kortex.  Letzterer ist das Zentrum unserer Aufmerksamkeit und ermöglicht es eine von der Amygdala als Bedrohung bewertete Situation neu zu bewerten – will heißen, die vermeintliche Schlange entpuppt sich bei genauerem hinsehen also Baumwurzel und schon ist der Stress vorbei.  Der Hypocampus dagegen ist das Zentrum der Erinnerung und Erfahrungen,  er ist der Grund warum wir in unbekannter Umgebung gerne mal bei einem unerwarteten Geräusch erschrecken,  zuhause aber, wo wir das Geräusch schnell als Fehlzündung der nachbarlichen Rostlaube erkennen, keine Mine verziehen.  Der Hypocampus ist auch dafür verantwortlich, dass der Dompteur im Käfig mit fünf Zirkus Löwen die Ruhe bewahrt, während die erste Reihe außerhalb des Käfigs sich Pipi verdrücken muss.
Jede Stresssituation ist eine Situation in der wir lernen und wachsen können,  vorausgesetzt wir bekommen die Gelegenheit diese auf die eine oder andere Weise zu verarbeiten.

Aber dauerhafter Stress ist Gift!

Noch mal zurück zu unserer unglücklichen, dreifachen Mutter und ihrem motivierten Personal Trainer: durch die dauernde Überdosierung der Trainingsbelastung („komm schon noch 10, 9, nicht aufgeben! 8…) ist sie nach jedem Training am nächsten Tag erschöpft,  hat tagelang Muskelkater und muss sich drei Tage später zwingen zur nächsten Trainingseinheit anzutreten. Diesen Zustand nennt man Übertraining und es bedeutet, dass sie es mit ihrem kleinen Stress-Becherchen und dem anstrengenden Alltag nicht schafft vor der nächsten Trainingseinheit ausreichend zu regenerieren – ihr Becher ist schon vor dem Training voll. Aus diesem Grund sind ihre Abwehrkräfte geschwächt und sie ist häufig krank, was ihre Leistung zusätzlich schmälert. Wenn sie nicht – wie es die meisten es in dieser Situation (vernünftigerweise) tun würden –  irgendwann das Handtuch wirft, entwickeln sich mit großer Wahrscheinlichkeit chronische Krankheiten oder auch Burnout Symptome.

Zu viel Stress?

Zu viel Stress?

Achte auf die ersten Symptome von Übertraining und chronischem Stress:

  • Verzögerte Regeneration,
  • Schlafschwierigkeiten,
  • Lang anhaltende Erschöpfung
  • Motivationslosigkeit
  • Angegriffene Imunabwehr

Schön und gut aber was tun, wenn es doch passiert?

Solltest Du bemerken, dass Du erste Symptome zeigst, gibt es einige Maßnahmen, die Du ergreifen kannst um Abhilfe zu schaffen:

Die Mischung machts

Für gute Regeneration kommt es auf die richtig Mischung an

  1. Schlafen – klingt seltsam,  aber am besten hilft gegen Müdigkeit, sei sie chronisch oder nicht, immer noch schlafen. Wenn du damit Schwierigkeiten hast, ist das der erste Punkt an dem du ansetzen solltest.  Analysiere deinen Schlaf, dafür gibt es mittlerweile einfache technische Hilfsmittel, die zwar nicht so genau sind, wie ein Schlaflabor, für unsere Zwecke aber völlig genügen.  Wenn Du weißt, wo das Problem liegt (lange Einschlafzeit,  unruhiger Schlaf, häufiges Aufwachen,  etc. )  dann versuche Abhilfe zu schaffen.
  2. Massagen – ja,  ich weiß echte Männer brauchen sowas nicht, aber laut Doc Hardy helfen Sie trotzdem . Es ist auch nicht eine streichelnde Wellnessmassage, sondern eine handfeste Sportmassage gemeint.
  3. Stress Management – Meditationen,  Atemübungen oder einfach ein Spaziergang durch den Wald können sehr gut helfen, schneller in ein ruhigeres und damit gesünderes Fahrwasser zu kommen.
  4. Ernährung – zwar der letzte Punkt auf dieser Liste, aber sicher nicht der unwichtigste. Gute Ernährung, die deinem Körper ausreichend Nährstoffe zur Verfügung stellt, ist enorm hilfreich bei der Regeneration.  Achte darum besonders in stressigen Zeiten darauf, Dich möglichst ausgewogen zu ernähren (die meisten machen es genau anders herum).

Ein narrensicherer Trainingsplan: Das Burst Cardio Protokoll nach Dr. Chris Hardy

Reines Krafttraining ist in der Regel eher unkritisch, wenn es um das Befüllen des Stressbechers geht – Herz-Kreislauf-intensives Training dagegen ist Stress pur für unseren Körper. Deshalb empfehlen viele Spitzentrainer wie Max Shank, Cardio-Training nur dann zu betreiben, wenn es entweder für die Erreichung des jeweiligen Trainingsziels nötig ist oder aber der Trainierende sicher ausreichende Reserven hat um davon zu profitieren.

Wenn ich nun nicht auf mein Cardio-Training verzichten will, wie bestimme ich dann tagesgenau, wie viel noch in mein Becherchen rein passt? – Willkommen zu Doc Hardy’s Burst Cardio Protocol! Du brauchst dazu einen Pulsmesser und eine beliebige Herz-Kreislauf intensive Übung (ja, natürlich Kettlebell Swings).
Errechne nach folgender Formel Deine maximale Pulsfrequenz und davon 90% und 70%:

Bei Männern:
223 – 0,9 x Lebensalter = HFmax
Bei Frauen:
226 – Lebensalter = HFmax
Schwellenwerte:
70% Schwelle = HFmax x 0,7; 90% Schwelle = HFmax x 0,9 (oder 0,95)

Am Ende Deines Krafttrainings beginnst Du mit dem Protokoll und machst einen Satz Deiner gewählten Übung (Swings!)  bis Deine Pulsfrequenz 90%—95% übersteigt.  Setze ab und raste (aktiv) bis du wieder auf 70% bist. Jetzt beginnt der nächste Satz. Diesem Protokoll folgst Du für eine vorher festgelegte Zeit (10 – 20 Minuten).
An guten Tagen wirst Du merken, dass Deine Herzfrequenz relativ langsam steigt und nach der Belastung schnell wieder fällt, an schlechten Tagen kann es sein, dass du nur wenige Sätze schaffst und deine Pulsfrequenz ewig braucht, um wieder unter 70 zu kommen.

Dieses und viele weitere Themen werden noch ausführlicher in Marty Gallager und Dr. Chris Hardy’s ausgezeichnetem Buch Strong Medicine erklärt – auf alle Fälle eine empfehlenswerte Lektüre:

Amazon Kindle, PDF-Ebook oder Paperback (verschickt aus USA)

Ich habe diesen Artikel nach meinem besten Verständnis geschrieben, sollte er trotzdem Fehler enthalten, gehen die alle auf meine Kappe – zum Nachlesen verweise ich nochmal auf das oben genannte Buch und auf den Strong Medicine Blog von Dragondoor in dem Marty Gallager, Dr. Chris Hardy und einige andere wöchentlich neue spannende Artikel rund um das Thema Training und Gesundheit bringen.

Zum Abschluss möchte ich noch ein Zitat von Dr. Chris Hardy bringen:

„Exercise is more potent than any pharmaceutical“ – „Training ist wirkungsvoller als jede Medizin“

Prinzipien gesunder Bewegung

An unserem diesjährigen RKC Sommercamp ging es, wie immer bei uns, darum, die Kettlebell Technik der Teilnehmer zu verbessern. Die 35 Teilnehmer brachten ein breites Spektrum von Kettlebell Fertigkeiten mit: da waren bereits zertifizierte Trainer, aktive und erfahrene Freizeit Sportler, aber auch ein paar Anfänger. Und alle verbrachten 2 Tage am schönen Germeringer See, um zu trainieren und ihre technischen Fertigkeiten zu verfeinern. Im folgenden Artikel will ich erklären, warum wir bei der RKC Germany immer so ein Aufhebens um saubere Technik machen.

Ein Laie der beim Kettlebell Swing zuschaut, denkt zunächst, dass es ja nicht so schwer sein kann: Kügelchen ab zwischen die Beine und hopp wieder vorne hoch – was ist da schon dabei?

Legt der unbedarfte Beobachter dann selbst Hand an, ist er in der Regel erst mal überfordert von den vielen Dingen, auf die er gleichzeitig achten soll:
Rücken gerade halten, Po anspannen, Knie und Hüfte ganz durchstrecken … und das ist erst der Anfang, je mehr man übt, um so feiner werden die Details auf die es zu achten gilt.

Das ist übrigens auch der Grund, warum wir bei der RKC, den Swing Anfängern zunächst nicht zeigen. Erst mal gibt es Vorübungen, die die Körperwahrnehmung schulen sollen, so dass es dem Anfänger, wenn es so weit ist, leichter fällt die Übung korrekt auszuführen.

Nun stellt sich die Frage, wie entscheidet sich, ob eine Technik sauber oder korrekt ist oder nicht?

Swing auf dem Sommercamp

RKC Kollege Michael aus der Schweiz zeigt am letzten Sommercamp seine schöne Swing Technik (Foto: dein-set.de by Campos Viola)

Was ist eigentlich Technik?

Jede Bewegung, die in einem sportlichen Wettstreit ausgeführt wird, muss eingeübt werden, so dass eine möglichst optimale Leistung erbracht werden kann. Um Bewegungen einüben zu können ist es nötig, sie so weit wie möglich zu standardisieren, um die Anzahl der zu übenden Bewegungen möglichst niedrig zu halten.

“I fear not the man who has practiced 10,000 kicks once, but I fear the man who had practiced one kick 10,000 times.”
― Bruce Lee

So eine Standardisierung nennen wir Technik – und sie ist aufgrund physischer Gegebenheiten für jeden zu eine gewissen grad individuell. So sieht der Kettlebell Swing einer langliedrigen Frau mit kurzem Oberkörper anders aus als der eines Mannes mit kurzen Armen und Beinen und einem eher langen Oberkörper (wie mir), auch wenn beide die gleiche Übung ausführen.

Worauf kommt es dabei an? – zunächst einmal auf das Ziel, das man erreichen will. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Hardstyle und der Softstyle beim Kettlebell Training. Softstyle ist ein Wettkampfsport, bei dem es (will man gewinnen) unerlässlich ist kraftsparend zu arbeiten. Im Hardstyle kommt es auf maximale Kraftentfaltung an, die Idee ist, dass die maximale Belastung, die ich meinem Körper im Training zumute, auch meine absolute Leistungsfähigkeit verbessert. Ziel im Hardstyle ist es also, hier möglichst ineffizient zu arbeiten – das genaue Gegenteil zum Softstyle obwohl die „gleichen“ Übungen benutzt werden.

Wie ich eine Bewegung ausführe bzw. einübe kommt also darauf an, was ich damit erreichen will. Eine Schlagtechnik im Kampfsport mit vielen Wiederholungen bei niedriger Intensität einschleifen zu wollen, macht ebenso wenig Sinn, wie die Vorbereitung auf einen Marathon durch Kurzstreckensprints.

Die Stärken und Schwächen jedes Sportlers geben einen beachtlichen Spielraum für eine Individualisierung. In diesem Video (https://youtu.be/klXVGdlLx-I?t=83) seht ihr Lamar Gant, einen afroamerikanischen Kraftdreikämpfer mehr als 5 mal sein Körpergewicht ziehen – und das mit einer Technik, bei der meine Bandscheiben schon vom Zuschauen schmerzen. Dass diese Technik für ihn funktioniert, ist bei dieser Leistung unbestreitbar, allerdings würde ich keinem empfehlen sich ein Beispiel an ihm zu nehmen, nicht mal mit einem Bruchteil des Gewichts.

Was ist denn dann saubere Technik?

Bedeutet das jetzt Technik spielt keine Rolle? Natürlich nicht! -Sportler wie Lamar Gant sind Ausnahmen, die aufgrund ganz speziellen physischen Voraussetzungen solche unglaubliche Leistungen erbringen können. Der Rest von uns muss sich entweder damit abfinden, niemals das eigene physische Potential auszuschöpfen oder eine ordentliche Technik erlernen. Ein (normaler) menschlicher Körper ist nur dann in der Lage  große Belastungen auszuhalten ohne dabei Schaden zu nehmen wenn:

  1. die Gesetze der Biomechanik nicht verletzt werden oder
  2. er sich über lange Zeit an die Belastung gewöhnen konnte.

Eine saubere Technik wird dadurch charakterisiert, dass die Last möglichst gleichmäßig verteilt wird und alle beteiligten Strukturen im Körper so belastet werden, wie die Biomechanik es vorgibt. Dieses strenge Prinzip kann mit viel Übung zwar bis zu einem gewissen Grad ausgehebelt werden, das geschieht zum Beispiel, wenn eine Technik auf besondere Erfordernisse bei Wettkämpfen angepasst wird. Wer hier aber übertreibt und nicht die abnorme Genetik eines Lamar Gant hat, wird es früher oder später mit Problemen oder unüberwindlichen Plateaus zu tun bekommen.

Sebastian Swing

Sebastian Müller RKC Team Leader und Autor des Blogs Vereinfache dein Training beim Swing mit zwei Kugeln.
dein-set.de by Campos Viola

Im Falle das Hardstyle Kettlebell Swing bedeutet „saubere“ Technik:

  • Der Rücken bleibt während des gesamten Bewegungsablaufs gerade (die Wirbelsäule behält ihre natürliche S-Form).
  • Die Kopfhaltung ist neutral, der Nacken nicht unnötig angespannt.
  • Die Arme halten entspannt an der Kettlebell fest und bleiben möglichst gerade. Der Griff ist eher locker.
  • Die Knie beugen sich beim Rückschwung so weit wie nötig, die Bewegung kommt hauptsächlich aus der Hüfte.
  • Sowohl unten (also nach dem Rückschwung) wie auch oben (nach dem Aufstehen) bildet die Kettlebell eine Verlängerung der Arme.
  • Im Stehen sind Bauch und Gesäß sichtbar angespannt.

Im Falle des Einhändigen Swing kommt noch hinzu:

  • Der Oberkörper wird von der Kettlebell nicht einrotiert.
  • Die Kettlebell läuft auf der Mittelachse, Knie und Hüfte weichen nicht seitlich aus.

Einige dieser Maßgaben treffen auch auch den sogenannten Softstyle Swing (aus dem Kettlebell Sport) zu – andere wären hier schlicht falsch.

Für jede Übung lässt sich so eine Liste aufstellen. Sei es Kreuzheben, Klimmzug, Kniebeuge oder auch für Exoten wie Frontlever oder Flag. Wenn Du eine Übung regelmäßig machst und Dir unklar ist, worauf es ankommt, dann rate ich Dir stark Dir einen guten Trainier zu suchen (zum Beispiel hier), der sie Dir erklärt. Außerdem ist es wichtig, sich im Klaren zu sein, was der Zweck der Übung ist: Geht es um eine Höchstleistung im Wettkampf, sind möglicherweise Modifikationen an der Technik nötig, die eine bessere Leistung durch lokale Überlastungen ermöglichen – geht es „nur“ um allgemeine Leistungsfähigkeit würde ich alle Abweichungen von einer super strikten Technik vermeiden. Dann spielt es nämlich keine Rolle, ob Du die bestimmte Übung 5 – 10 oder 100 mal ausführen kannst, wichtig ist nur, dass Du als Athlet insgesamt leistungsfähiger wirst – und das klappt nur, wenn Du lange Zeit ohne Unterbrechungen trainieren kannst.

Train hard – but save!