Umgang mit chronischen Verletzungen im Sport – ein Erfahrungsbericht

Fast jeder Sportler, der nicht mehr in der Jugend-Liga spielt und sein Training ernst nimmt kennt sie: Diese lästigen kleinen Zipperlein, die irgendwie immer wieder kommen und sich partout jeglicher Behandlung widersetzen. Oft sind sie eher lästige Kleinigkeiten, die nerven, mit denen man aber klar kommen kann. Aktuell ist es bei mir gerade ein recht verletzungsanfälliges  Handgelenk und ein lästiger sogenannter Golfer-Ellenbogen (natürlich am anderen Arm). Solche Unannehmlichkeiten begleiten mich praktisch seit ich regelmäßig seit ich trainiere und natürlich sehe ich sie auch immer wieder bei Schülern und Trainingspartnern.

Solange eine solche chronische Verletzung im Status des lästigen Ärgernisses bleibt, ist es doof, aber auch nicht weiter schlimm. Meine Strategie für diese Fälle ist normalerweise sie zu ignorieren, und mich ab und an darüber zu ärgern – diese Strategie hat bei mir NOCH NIE FUNKTIONIERT, und wird es vermutlich auch in Zukunft nicht tun. Keine Ahnung wie alt ich noch werden muss bis es mir gelingt mein Verhalten diesbezüglich zu ändern. Mein Glück ist, das ich diese Strategie nicht wie andere bis zum bitteren Ende verfolge, sondern in der Regel rechtzeitig umschwenke bevor bleibender Schaden entsteht.

Sind die Beschwerden erst ein mal intensiv oder lästig genug das es sich  nicht länger ignorieren lässt muss eine Lösung her –  und meistens geht man dafür zum Arzt. Diese „Kurzschlusshandlung“ hat mich schon so manchen Schüler gekostet, und das finde ich jedes mal wirklich tragisch. Es trifft nämlich nicht diejenigen, die kurz vorbeischneien, sich ein paar mal blicken lassen und dann in der Versenkung verschwinden – für chronischen Verletzungen muss man sich nämlich richtig ins Zeug legen. Die bekommen nur die Motivierten, die Fleisigen, die, die sich entwickeln wollen – also die um die es wirklich schade ist!

Seit ich mein Studio leite habe ich einige solche tragischen Fälle beobachten müssen aber ich habe auch einige (mich selbst eingeschlossen) erlebt die es geschafft haben solche Handicaps zu überwinden. Aus diesen Beobachtungen habe ich einige Schlüsse gezogen, die ich heute mit Euch teilen will. ACHTUNG: es handelt sich dabei weder um die Ergebnisse klinischer Studien, noch um ärztlichen Rat.

Meine Theorie zur Entstehung chronischer Verletzungen

Chronische Verletzungen sind Überlastungs-Verletzungen, die sich über einen längeren Zeitraum aufbauen. Für den betroffen treten sie darum  häufig spontan und ohne erkennbare Ursache auf. Sind die erst mal da, reicht meist eine minimale Be-/Überlastung des entsprechenden Bereiches um die Verletzung wieder aufflammen zu lassen. Wenn man sich die betroffenen Bewegungsmuster genau anschaut, dann ist in aller Regel eine asymmetrische Komponente mit im Spiel. Damit will ich sagen, dass die gleiche Bewegung auf der anderen Körperhälfte anders abläuft als auf der betroffenen Seite. Es ist dabei nicht gesagt, das der Ort an dem die Schmerzen auftreten, der gleiche ist, der die Verletzung verursacht. Wie oben schon erwähnt ist eine solche Verletzung nichts was man einfach hinterher geschmissen bekommt – dafür musst Du echt arbeiten.
Also Doch? „Sport ist Mord?!?“ – lieber spazieren gehen und ja keine schweren Sachen anfassen oder ruckartige Bewegungen machen?
Meiner Meinung nach dient uns der Sport als Früherkennung. Solange wir (relativ) jung sind, sind die Selbstheilungskräfte des Körpers sehr stark. Überlastungen werden so schnell kompensiert, das es sie bei Sportlern unter 25 chronische Beschwerden eigentlich nur bei den aller ambitioniertesten gibt. Nach dem unser Körper aber das erste Viertel-Jahrhundert Reifezeit hinter sich hat, beginnt die Regenerationsfähigkeit langsam das Rennen gegen die täglichen Belastungen zu verlieren. Bei einem Sportler, der regelmäßig an seine Grenzen geht, ist das natürlich früher der Fall, als bei jemandem der seinen Körper nur braucht um den Kopf täglich zur Arbeit zu tragen.
Aber genau hierin liegt die Chance für uns Sportler: Wir werden wesentlich früher auf unsere Schwachstellen aufmerksam und können lernen damit umzugehen. Allein in Deutschland werden jährlich 25000 künstliche Hüftgelenke verbaut. Belastbare zahlen zur Alters-Demografie habe ich leider keine gefunden, aber meisten Patienten sind wohl zwischen 50 und 75 Jahren.

Eine kleine Geschichte meiner Hüfte

Meine Hüfte ist gleichzeitig meine Stärke und meine Schwäche. Schon als Baby, so haben mir meine Eltern erzählt, wurde bei mir eine Hüftdysplasie diagnostiziert und ich musste zur Korrektur die damals übliche Spreizhose tragen. In meiner Kindheit und Jugend geriet dieses Kapitel dann fast in Vergessenheit, da in dieser Zeit keinerlei Symptome auftraten. Sportlich war ich bis ins frühe Erwachsenen Alter weder sehr aktiv noch völlig inaktiv – einfach Durchschnitt. Als ich dann mit Anfang 20 das Tae Kwon Do Training intensiver aufnahm, erkannte mein Trainer recht schnell meine „freie“ Hüfte. Ich konnte in kurzer Zeit ziemlich hoch kicken ohne groß dafür arbeiten zu müssen. Was die statische Beweglichkeit anging, ging es nicht so leicht – was ich aber mehr

Mit dem Single leg Deadlift bekam ich oft Hüftprobleme

auf meinen fehlenden diesbezüglichen Einsatz schiebe als auf meine Physiologie. Als ich dann nach einigen Jahren Tae Kwon Do Training meinen Ehrgeiz darauf richtete endlich senkrecht kicken zu können, begann ein wahrer Eiertanz, bei dem ich die Möglichkeiten meines Hüftgelenks kennen lernen durfte. Der Zyklus lief etwa so: 2-3 Wochen mit guten Fortschritten dehnen (ca 15-20 cm zum Boden). Ab Woche 3 begann ein leichtes Gefühl der Instabilität in der linken Hüfte – das ich nach bewährtem Rezept ignorierte und weiter dehnte! Irgendwo zwischen Woche 4 und 6 war ich dann fast im Spagat (5 cm Bodenabstand) und mein linkes Hüftgelenk war so lose, das ich beim aussteigen aus dem Auto darauf achten musste das es nicht aus dem Gelenk springt (ist zum glück nie passiert, war aber ziemlich knapp). An diesem Punkt setzte dann in regelmäßig mein Selbsterhaltungstrieb wieder ein und ich pausierte meine Bemühungen bis die Hüfte wieder stabil war. Erst Anfang 30 nach etwa 4 Jahren und ich-weiß-nicht-wie-vielen solchen Zyklen und vielen Ratschlägen von erfahrenen Trainings-Kameraden fand ich mich damit ab, das es mit meiner Hüfte wohl nicht möglich ist den Voll-Spagat zu erlernen.
Bevor ich den Rest der Geschichte erzähle, noch ein paar kurze was-wäre-wenn-Spielchen:

  • Hätte mein Selbsterhaltungstrieb mich nicht regelmäßig davor bewahrt zu weit zu gehen, hätte ich meine Linke Hüfte ziemlich sicher schon in den späten 20ern zerstört.
  • Hätte ich nicht irgendwann eingesehen das ich auf diesem Weg wohl noch nie zum Ziel komme – würde ich ziemlich sicher heute meinen Beruf als Tae Kwon Do Trainer nicht ausüben.

Lange dachte ich – meine Hüfte kann das nicht…

Nachdem Selbsterhaltungstrieb, Faulheit, gute Ratschläge oder der simple  Umstand das unser Großmeister nichts von Wettkämpfen hält mich vor grösserem Schaden bewarten, trainierte ich noch einige Jahre weiter, machte meinen Schwarzgurt, eröffnete meine Schule und lernte irgendwo auf dem ein altes russisches Trainingsgerät kennen –  die Kettlebell. Zunächst gab die Kettlebell meinem Training einen gehörigen Schub, ich wurde stärker, schneller und auch beweglicher – wenn auch nicht in der Hüfte. Im Zuge meiner RKC-Vorbereitung traten dann wieder Hüftprobleme auf – diesmal wurde nicht die Hüfte locker, sondern das Iliosakralgelenk (ISG) „verklemmte“ sich regelmäßig nach intensiven Swing oder Snatch Sessions. Diese Beschwerden waren nicht dramatisch, aber doch ziemlich lästig – denn ich musste jedes mal für ein paar Tage langsam machen damit sich alles wieder beruhigen konnte. Woher das Problem kam, fand ich damals noch nicht heraus – aber zumindest fand ich ein paar Dehnungsübungen die es mir Erleichterung verschafften. Heute glaube ich zu wissen, das meine Probleme beim Swing aus einer Schutzreaktion auf mein falsches Dehnen resultierten – dadurch war nämlich die Stabilisierungs-Muskulatur der links ständig so verhärtet, dass die intensiven Hüftstreckungen bei Swing und Co. eher mein ISG aufbogen als die Hüfte vollständig zu öffnen. Da ballistische Kettlebell Übungen naturgemäß sehr schnell ablaufen, konnte ich diesem Zusammenhang aber damals noch nicht erkennen.

Wieder einige Jahre später entdeckte ich die Langhantel als Ergänzung für mein Training, vor allem das Kreuzheben übt seit dem eine ziemliche Faszination auf mich aus – auch wenn ich nach wie vor ziemlich schlecht darin bin. Das Kreuzheben, stellte sich heraus, ist für meine Hüfte Swing x 10. Sobald ich die grundlegende Technik gemeistert hatte und begann das Gewicht zu steigern, fingen die Probleme an. Das Gewicht mit dem ich damals arbeitete war nur knapp über dem eigenen Körpergewicht – in KdK Dimensionen also Anfängerniveau –  und doch  traten nach fast jeder Session die Symptome auf die ich schon von der Kettlebell her kannte. Über einen Zeitraum von etwa 2,5 Jahren experimentierten, ignorierte, fluchte und trainierte und hinkte ich bis irgendwann eine weitere Komponente meines Trainings einen neuen Auftritt hatte: Die Beweglichkeit der Hüfte. Im zarten Alter von 39 Jahren bemerkte ich, das meine Hüfte mittlerweile nicht mehr so beleidigt auf Dehnung reagierte wie in meinen Zwanzigern. Ohne konkrete Absicht, testete ich, wie weit ich es denn treiben könne und saß ziemlich pünktlich zu meinem 40-sten Geburtstag zum ersten mal in meinem Leben im Spagat. Das dadurch erworbene neue Gefühl für die Mechanik meiner Hüfte und die Erfahrungen aus dem Kreuzheben zusammen genommen brachten mich endlich auf den oben schon beschriebenen Zusammenhang, und meine Beschwerden sind heute zwar nicht völlig verschwunden, aber doch so sicher unter Kontrolle, das ich swingen, Kreuzheben und grätschen kann ohne dabei Probleme zu bekommen. Zu meinem selbst gesteckten Ziel mein 2-faches Körpergewicht aufzuheben fehlen mir zwar immer noch so 30 kg – aber ich habe ja noch Zeit.

Ein Wort zu Ratschlägen

Natürlich habe ich während meiner langen Odyssee viele Leute – Ärzte wie Trainer – um Rat gefragt. Oft habe ich wertvolle Hinweise bekommen – manchmal aus den unwahrscheinlichsten Quellen. Teils musste ich feststellen das selbst die hochkarätigsten Spezialisten keine befriedigenden Antworten hatten. Manchmal ergab eine Information erst nach langer Zeit den entschiedenen Impuls wenn weitere Informationen dazu kommen. Ich würde jede Frage wieder stellen, und vielleicht lieber noch mehr. Nur bei einer Sache bin ich in all der Zeit konsequent geblieben: wann immer mir einer sagt ich soll doch einfach lassen was ich vorhabe war das Gespräch für mich vorbei.

Was ich daraus schließe

Nun habe ich Dich lieber Leser lange genug mit meiner Geschichte gelangweilt. Jetzt will ich Dir auch noch sagen was ich daraus für den Umgang mit chronischen Verletzungs-Zuständen ableite.
Ich könnte noch weitere Beispiele bringen, von erfolgreichen und weniger erfolgreichen.  Aber keine Angst – ich komme gleich zur Sache!

5 Tipps für den Umgang mit chronischen Verletzungszuständen:

  • Wenn ignorieren bei ersten mal nicht funktioniert hat, tut es das auch in Zukunft nicht! (hier bin ich noch nicht gaaanz sicher 😉
  • Jede chronische Verletzung hat eine Ursache – finde sie!
  • Die Ursache ist eine Gewohnheit – und die musst Du ändern!
  • Nimm Dir Zeit – gib nicht auf! – Du hast lange gebraucht Dich kaputt zu machen, erwarte nicht das sich plötzlich alles auflöst.
  • Lass Dir von niemandem sagen was Du nicht kannst!

Zum Abschuß noch ein Zitat von Senecca:

„Man gehe gegen den Schmerz an, denn man wird besiegt wenn man weicht.“

In diesem Sinne, frohes Suchen!

Dein Flo.

Die Jagd nach dem perfekten Swing

Vor Jahren besuchte ich den CK-FMS Workshop von Dragondoor um die Anwendung der FMS-Methode (Functional Movement Screen) zu erlernen. Diese FMS-Methode dient dazu Schwachstellen im Bewegungsapparat aufzudecken, bevor diese unter Belatung zu einer Verletzung führen können. Ich nutze diese Methode nach wie vor in meinen Anfängerkursen und für meine Einzelkunden. Leider gibt es diesen Kurs mittlerwelie nicht mehr, aber meine Quellen berichten das wir hoffen können das es in Zukunft wieder etwas derartiges kommen wird.

Auf dem Kurs wirde der Damalige Master RKC Brett Jones, selbst Mitentwickler der FMS Methode, von einem Teilnehmer gefragt, wofür er denn gerade trainieren – Seine Antwort hat meine Sichtweise zum Training seitdem stark beeinflusst:

„I am currently working on improving my Kettlebell Swing“ –Brett Jones, May 2011

Wenn ein Meister der Kettlebell, der sich seit Jahren mit dem Gerät beschäftigt sein eigenes Training darauf abstimmt seinen Swing zu verbessern, eine Übung die Anfänger in meinen Kursen schon in den ersten Stunden lernen, dann muss wohl etwas mehr an Übung dran sein als ich bis dahin realisiert hatte. Seit diesem Erlebnis bin ich selbst ebenfalls auf der Suche nach dem perfekten Swing.

Swing - Alles angespannt?

Swing – Alles angespannt?

Bei allen Kursen die ich gebe lege ich großen Wert darauf, den Swing sehr exakt einzuüben bzw. zu wiederholen. Es ist schon vorgekommen, dass ich im Anschluss angesprochen wurde, ob es nicht sinnvoll wäre, dem Swing etwas weniger Zeit zu widmen und dafür ein oder zwei weitere Übungen oder Varianten zu zeigen. Meine Antwort ist einfach: Der Swing ist das Fundament des Kettlebell Gebäudes! – wenn ich am Swing arbeite, arbeite ich damit gleichzeitig an jeder anderen Übung.

Was lässt sich also nach Jahren des gewissenhaften Swing-Trainings noch weiter verbessern?

Geht es um mehr Wiederholungen oder schwerere Kettlebells? – Der Swing lässt sich auch mit sehr schweren Gewichten ausführen – das eigene Körpergewicht und mehr sind nicht ungewöhnlich. Bei den Wiederholungszahlen ist die Grenze ebenfalls sehr weit gesteckt – zum Jahreswechsel 2011 – 12 habe ich eine Workout mit 2012 24 kg Swings in ca. 90 Minuten gemacht. Andere wie Tracy Reifkind oder Bud Jeffries werden bei solchen Zahlen erst langsam warm. In den letzen Jahren ist es unter Kettlebellern ein beliebter Geburtstagsßpass geworden, jedes Lebensjahr mit 100 Swings zu feiern – bei mir wären das 4200 (Ich konnte mich gerade noch zurückhalten ;-).

Die ultimative Übung mit der Kettlebell – Der Swing

Demnach sind also Gewicht und Wiederholungszahlen vermutlich nicht der weg zum perfekten Swing. Es ist die Technik, um die es geht.

Der Swing besteht vereinfacht aus 2 Phasen:

  • Dem Aufstehen mit der Kettlebell in die sogenannte „Standing Plank“
  • Und dem „Drop“, bei dem die Kettlebell frei fällt und in der Kreuzhebe-Position abgefangen wird.

Da es sich beim Swing um eine sogenannte „closed chain“-Übung handelt folgen diese beiden Phasen ohne sichtbare Unterbrechung der Bewegung aufeinander – immer und immer wieder. In folgendem Video von Master RKC Max Shank siehst Du den Swing einhändig und zweihändig augeführt:

Und hier kommt die Magie

Wenn wir etwas genauer hinschauen erkennen wir, dass in den beiden Endpositionen – der „Standing Plank“ und der unteren Kreuzhebe Position – der gesamte Körper angespannt ist, während die Übergänge schnell und flüssig ablaufen.

Die Anspannung ist während der dynamischen Phasen des Swings nur im Bereich der Wirbelsäule zu erkennen, während Hüfte, Schultern und Knie sich frei bewegen.

Und genau hier liegt das Geheimnis des Kettlebell Swings – der rhythmische Wechsel zwischen totaler Anspannung und relativer Entspannung ist es, der den Swing zu eine so wirksamen Übung macht. Maximalkraft, Greifkraft, Kraftausdauer, Schlagkraft, Sprungkraft (Standhochsprung), Dynamik und Herz Kreislauf-Ausdauer sind nur einige der Qualitäten, die sich mit dieser einen Übung trainieren lassen.

Den perfekten Swing zeichnet ein kraftvoller und zugleich harmonischer Bewegungsablauf aus.

Wenn Du eine Übung kennst, mit der Du eine ähnlich große Zahl von Trainingszielen simultan erreichen kannst und die dabei Deinen Bewegungsapperat nur minimal belastet, zeige sie mir bitte!

Der Weg zur Meisterschaft

Die Meisterschaft beim Swing liegt in der Fähigkeit die Muskelanspannung in den statischen Phasen zu maximieren und während der Übergänge die Anspannung nur auf die zwingend nötigen Körperbereiche zu beschränken, um möglichst freie und damit schnelle Bewegung zu ermöglichen.

Wie ein Kampfsportler bei einem Fauststoß wird die Bewegung flüssig und ohne Spannung ausgeführt – zum Zeitpunkt des Auftreffens aber alles angespannt, um möglichst viel Kraft übertragen zu können. Meinem Grossmeister Son Jong Ho gelingt es dank seiner, über viele Jahre perfektionierten, Technik mit der Hand einen Kieselsteine von ca. 10 cm Durchmesser zu zertrümmern – er hat das Spiel von Spannung und Entspannung perfektioniert.

Genau das Gleiche gilt für den Kettlebell Swing: Je besser die Technik beherrscht wird, um so mehr Kraft wird dabei freigesetzt. Ein Anfänger steht sozusagen immer mit einem Fuss auf dem Gas und dem anderen auf der Bremse. Je besser der Girevik wird, um so kürzer und intensiver werden die Muskelkontraktionen und um so entspannter und flüssiger die Übergänge.

Das gibt dem Swing die einzigartige Qualität: je besser man ihn beherrscht, um so intensiver – und damit effektiver – wird er.

Bei so ziemlich allen anderen Aktivitäten ist es genau umgekehrt – je geübter ein Sportler darin wird, um so effizienter und kraftsparender wird seine Technik. Das geht so weit, dass ein erfahrener Sportler bei konstantem Trainings-Volumen sogar langsam an physischer Leistungsfähigkeit verlieren würde.

Ich hoffe, ich konnte Dich, lieber Leser, motivieren, Dich intensiv mit dieser Übung auseinanderzusetzen – Deine Gesundheit und Leistungsfähigkeit wird es Dir danken.

Die erste Version dieses Artikels ist unter dem Titel „Der Swing – die ultimative Übung“ am 26.12.2012 erstmals erschienen.

Work your weakness

fms_logoGray Cook’s FMS (Functional Movement Screen) ist fies! Große, kräftige und sportlich aktive Männer bekommen einen verschreckten Gesichtsausdruck, wenn sie ihre FMS Korrekturübungen zum ersten mal ausprobieren. „Kann ich nicht lieber ein paar Swings machen?“ fragen sie dann mit flehendem Gesichtsausdruck… warum ist das so?

Die so genannten korrektiven Übungen im FMS sind für jeden individuell angepasst, um genau das schwächste Glied in seinen oder ihren Bewegungsmustern zu fordern. Die flexible Frau bekommt Liegestütze verschrieben, um ihre Rumpfstabilität zu verbessern, der kräftige Mann Dehnübungen für Hüfte oder Schultern – also genau das, was die oder der jeweilige seit Jahren konsequent vernachlässigt hat. „Liegestützen konnte ich noch nie!“ bekomme ich von den Mädels zu hören und „ich bin total verkürzt!“ von den Herren der Schöpfung. Diese jeweiligen Bereiche werden deswegen so konsequent vernachlässigt, weil wir es als wesentlich beschwerlicher empfinden, Dinge zu tun in denen wir schlecht sind, als das was wir bereits gut können. Wenn wir diese Strategie konsequent folgen, führt das dazu, dass wir immer besser in dem werden, was wir ohnehin schon gut können und im Gegenzug schlechter in den vernachlässigten Bereich. Irgendwann kommen wir an einen Punkt, an dem diese Disbalance so gross wird, dass wir auch in dem, was wir eigentlich gut können, nicht mehr weiter kommen, weil unsere Schwachstellen das verhindern.

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Die dem FMS unterliegende, zugrunde liegende Erkenntnis ist, dass jeder, der ernsthaft trainieren möchte, ein ausgewogenens Mindestmaß an Mobilität, Stabilität und anderen grundlegenden Bewegungsmustern haben muss. Wer dies vernachlässigt, zwingt seinen Körper dazu, um seine Schwächen herum zu agieren, was sowohl den Verschleiss als auch das Verletzungsrisiko steigert. Das bedeutet also nicht, dass jemand der leistungsfähig ist sich automatisch gut bewegt. Beispiele wie der Einbeinige, der einen Marathon läuft sollten augenfällig machen, dass unsere Körper evolutionsbedingt unglaublich gut darin sind, vorhanden Schwächen zu kompensieren. Dabei opfert der Körper aber immer die Qualität der Quantität. Im Fall unseres einbeinigen Beispielathleten leuchtet das jedem ein, aber auch bei jedem anderen wirken diese Kompensationsstrategien. Diese entstehen durch ehemalige Verletzungen, schlechte Gewohnheiten (Haltung) oder einseitige Belastungen (Golfspieler und Radfahrer aufgepasst). Leider verfährt unser Körper nach dem Prinzip „Never change a running system“ und behält veränderte Bewegungsmuster bei, auch wenn die Ursache der Anpassung schon wieder weg ist. Wer also aufgrund einer Knieverletzung, eine gut funktionierende Kompensationsstrategie entwickelt hat, bei dem bleibt diese Strategie oft erhalten, auch nachdem die eigentliche Verletzung längst ausgeheilt ist. Ein anderes Beispiel ist der Bildschirmarbeiter – wer täglich viele Stunden vor einem Computer verbringt dessen Bewegungsmuster werden für die dabei eingenommene Haltung optimiert.

Das SAID-Prinzip (Special adaptation to imposed demand) besagt, dass immer das optimiert wird, was wir am meisten tun. Dieses Prinzip gibt uns, wenn wir es bewusst anwenden, die Chance unsere körperliche Leistungsfähigkeit auf ein Niveau zu steigern, das den meisten Menschen „übermenschlich“ erscheint. Wenn wir das SAID-Prinzip aber unkontrolliert wirken lassen, führt das zu ungewollten Nebenwirkungen. Der runde Rücken vieler engagierter Radsportler spricht eine deutliche Sprache.

Wer also langfristig und zur Gesunderhaltung seines Körpers trainieren möchte, sollte sich – besonders zu Anfang  – darauf konzentrieren seine Schwächen auszugleichen statt seine Stärken zu fördern.

Ich selbst bin hier das beste Beispiel, obwohl ich bereits vor mehreren Jahren, als Robert Rimoczi mich mit FMS analysiert hat, herausgefunden habe, dass meine Schultern zu wenig Mobilität aufweisen, habe ich dies immer ignoriert. In meinen Augen war Schultermobilität nicht so wichtig – solange sie mich nicht behindert, dachte ich, ist alles in Ordnung. Ich bin von Haus aus recht robust, so dass Verletzungsprävention für mich nicht die höchste Priorität hatte.

Erst als ich begann den Handstand zu üben, traf ich auf mein Plateau. In den Handstand zukommen war nicht das Problem, aber sobald ich oben war, fing ich an wieder zu kippen. Nach langem Üben und einigem Überlegen und ein paar selbstgedrehten Videos kam ich dann auf die Lösung: Meine Schultern (besonders die linke) erlaubten mir einfach nicht die Arme senkrecht unter dem Körper zu plazieren. Kaum hatte ich meine Schultern etwas gelockert ging es deutlich besser.

Genau genommen war das nicht das erste Mal, dass mir meine Schulternmobilität im Weg war, nur habe ich davor nie verstanden woran es liegt. Als ich Kenneth Jay’s Programm „Perfecting the Press“ ausprobiert habe – das Programm erfordert massenweise Presse ist mit verschiedenen schweren Kettlebells mehrmals die Woche – bekam ich Probleme in der linken Schulter …tata.

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Egal ob Du ein alter Hase bist, der schon immer trainiert oder gerade erst damit beginnen möchtest, Dich in Form zu bringen, lerne aus meinen Fehlern und sorge dafür, dass Du ein ausgewogenes Fundament für den Training hast. Die einfachste Möglichkeit ist es, Dich von einem FMS Instruktor screenen zu lassen, er kann in 15 Min feststellen, wie es um deine Grundbewegungsmuster steht und dir Tipps geben, an was du gegebenenfalls arbeiten musst. Wenn du dazu keine Möglichkeit hast, bietet der Turkish Get Up dir eine Alternative. Wenn du diese Übungen auf beiden Seiten gleich ausführen kannst (natürlich mit einer für deine Größe angemessenen Kettlebell), kannst Du dir relativ sicher sein, dass zumindest keine größeren Probleme auf dich lauern.

Ich weiß, ich weiß – Du bereitest dich gerade auf deinen nächsten PR vor und hat deswegen keine Zeit dich jetzt um so etwas zu kümmern. Ging mir auch nicht anders. Aber glaub mir, es lohnt sich trotzdem.