Vor Jahren besuchte ich den CK-FMS Workshop von Dragondoor um die Anwendung der FMS-Methode (Functional Movement Screen) zu erlernen. Diese FMS-Methode dient dazu Schwachstellen im Bewegungsapparat aufzudecken, bevor diese unter Belatung zu einer Verletzung führen können. Ich nutze diese Methode nach wie vor in meinen Anfängerkursen und für meine Einzelkunden. Leider gibt es diesen Kurs mittlerwelie nicht mehr, aber meine Quellen berichten das wir hoffen können das es in Zukunft wieder etwas derartiges kommen wird.
Auf dem Kurs wirde der Damalige Master RKC Brett Jones, selbst Mitentwickler der FMS Methode, von einem Teilnehmer gefragt, wofür er denn gerade trainieren – Seine Antwort hat meine Sichtweise zum Training seitdem stark beeinflusst:
„I am currently working on improving my Kettlebell Swing“ –Brett Jones, May 2011
Wenn ein Meister der Kettlebell, der sich seit Jahren mit dem Gerät beschäftigt sein eigenes Training darauf abstimmt seinen Swing zu verbessern, eine Übung die Anfänger in meinen Kursen schon in den ersten Stunden lernen, dann muss wohl etwas mehr an Übung dran sein als ich bis dahin realisiert hatte. Seit diesem Erlebnis bin ich selbst ebenfalls auf der Suche nach dem perfekten Swing.

Swing – Alles angespannt?
Bei allen Kursen die ich gebe lege ich großen Wert darauf, den Swing sehr exakt einzuüben bzw. zu wiederholen. Es ist schon vorgekommen, dass ich im Anschluss angesprochen wurde, ob es nicht sinnvoll wäre, dem Swing etwas weniger Zeit zu widmen und dafür ein oder zwei weitere Übungen oder Varianten zu zeigen. Meine Antwort ist einfach: Der Swing ist das Fundament des Kettlebell Gebäudes! – wenn ich am Swing arbeite, arbeite ich damit gleichzeitig an jeder anderen Übung.
Was lässt sich also nach Jahren des gewissenhaften Swing-Trainings noch weiter verbessern?
Geht es um mehr Wiederholungen oder schwerere Kettlebells? – Der Swing lässt sich auch mit sehr schweren Gewichten ausführen – das eigene Körpergewicht und mehr sind nicht ungewöhnlich. Bei den Wiederholungszahlen ist die Grenze ebenfalls sehr weit gesteckt – zum Jahreswechsel 2011 – 12 habe ich eine Workout mit 2012 24 kg Swings in ca. 90 Minuten gemacht. Andere wie Tracy Reifkind oder Bud Jeffries werden bei solchen Zahlen erst langsam warm. In den letzen Jahren ist es unter Kettlebellern ein beliebter Geburtstagsßpass geworden, jedes Lebensjahr mit 100 Swings zu feiern – bei mir wären das 4200 (Ich konnte mich gerade noch zurückhalten ;-).
Die ultimative Übung mit der Kettlebell – Der Swing
Demnach sind also Gewicht und Wiederholungszahlen vermutlich nicht der weg zum perfekten Swing. Es ist die Technik, um die es geht.
Der Swing besteht vereinfacht aus 2 Phasen:
- Dem Aufstehen mit der Kettlebell in die sogenannte „Standing Plank“
- Und dem „Drop“, bei dem die Kettlebell frei fällt und in der Kreuzhebe-Position abgefangen wird.
Da es sich beim Swing um eine sogenannte „closed chain“-Übung handelt folgen diese beiden Phasen ohne sichtbare Unterbrechung der Bewegung aufeinander – immer und immer wieder. In folgendem Video von Master RKC Max Shank siehst Du den Swing einhändig und zweihändig augeführt:
Und hier kommt die Magie
Wenn wir etwas genauer hinschauen erkennen wir, dass in den beiden Endpositionen – der „Standing Plank“ und der unteren Kreuzhebe Position – der gesamte Körper angespannt ist, während die Übergänge schnell und flüssig ablaufen.
Die Anspannung ist während der dynamischen Phasen des Swings nur im Bereich der Wirbelsäule zu erkennen, während Hüfte, Schultern und Knie sich frei bewegen.
Und genau hier liegt das Geheimnis des Kettlebell Swings – der rhythmische Wechsel zwischen totaler Anspannung und relativer Entspannung ist es, der den Swing zu eine so wirksamen Übung macht. Maximalkraft, Greifkraft, Kraftausdauer, Schlagkraft, Sprungkraft (Standhochsprung), Dynamik und Herz Kreislauf-Ausdauer sind nur einige der Qualitäten, die sich mit dieser einen Übung trainieren lassen.
Den perfekten Swing zeichnet ein kraftvoller und zugleich harmonischer Bewegungsablauf aus.
Wenn Du eine Übung kennst, mit der Du eine ähnlich große Zahl von Trainingszielen simultan erreichen kannst und die dabei Deinen Bewegungsapperat nur minimal belastet, zeige sie mir bitte!
Der Weg zur Meisterschaft
Die Meisterschaft beim Swing liegt in der Fähigkeit die Muskelanspannung in den statischen Phasen zu maximieren und während der Übergänge die Anspannung nur auf die zwingend nötigen Körperbereiche zu beschränken, um möglichst freie und damit schnelle Bewegung zu ermöglichen.
Wie ein Kampfsportler bei einem Fauststoß wird die Bewegung flüssig und ohne Spannung ausgeführt – zum Zeitpunkt des Auftreffens aber alles angespannt, um möglichst viel Kraft übertragen zu können. Meinem Grossmeister Son Jong Ho gelingt es dank seiner, über viele Jahre perfektionierten, Technik mit der Hand einen Kieselsteine von ca. 10 cm Durchmesser zu zertrümmern – er hat das Spiel von Spannung und Entspannung perfektioniert.
Genau das Gleiche gilt für den Kettlebell Swing: Je besser die Technik beherrscht wird, um so mehr Kraft wird dabei freigesetzt. Ein Anfänger steht sozusagen immer mit einem Fuss auf dem Gas und dem anderen auf der Bremse. Je besser der Girevik wird, um so kürzer und intensiver werden die Muskelkontraktionen und um so entspannter und flüssiger die Übergänge.
Das gibt dem Swing die einzigartige Qualität: je besser man ihn beherrscht, um so intensiver – und damit effektiver – wird er.
Bei so ziemlich allen anderen Aktivitäten ist es genau umgekehrt – je geübter ein Sportler darin wird, um so effizienter und kraftsparender wird seine Technik. Das geht so weit, dass ein erfahrener Sportler bei konstantem Trainings-Volumen sogar langsam an physischer Leistungsfähigkeit verlieren würde.
Ich hoffe, ich konnte Dich, lieber Leser, motivieren, Dich intensiv mit dieser Übung auseinanderzusetzen – Deine Gesundheit und Leistungsfähigkeit wird es Dir danken.
Die erste Version dieses Artikels ist unter dem Titel „Der Swing – die ultimative Übung“ am 26.12.2012 erstmals erschienen.
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