Manchmal ist es schon witzig wie unsere modere Welt funktioniert. Vor etwas mehr als 10 Jahren kam die Firma Vibram mit ihrem neuen Schuhkonzept „Five Fingers“ auf den Markt und leitete damit die Renaissance des Barfuß Laufens ein. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es im Vorhinein Kontroversen gab und sogar von medizinischer Seite davor gewarnt wurde, weil unsere Füße doch zu schwach seien und darum einen Schuh bräuchten, um nicht kaputt zu gehen – nur seltsam, dass wir dann nicht schon mit Schuhen geboren werden 😉

Das Korpus Delikti, vibram konnte seine vollmundigen Gesundheitsversprechen nicht halten. (Quelle: Wikipedia)
Derzeit sieht sich die Firma Vibram mit einer Sammelklage konfrontiert, weil ihre Schuhe die vollmundigen Heilsversprechen nicht halten konnten und sich einige Neubarfüssler sogar ortopädische Probleme eingehandlelt haben.
Zum Barfuß Laufen – auch mit minimalistischem Schuhwerk – braucht es eine andere Geh- bzw. Lauftmechanik als mit herkömmlichen Schuhen. Der Heel Strike, also das Aufsetzen der Ferse entfällt dabei praktisch vollständig, stattdessen landet der Vorderfuß zuerst. Das liegt daran, dass unser eingebauter Stoßdämpfer, das Sprunggelenk, bei einem Aufsetzten der Ferse nicht funktioniert und wir darum auf gepolstertes Schuhwerk angewiesen sind. Beim Sprint sind wir übrigens automatisch auch wieder auf den Vorderfüssen unterwegs, da hier der Heel Strike auch bei guter Polsterung zu heftig wäre.
Natürlich birgt barfuß laufen heute auch einige zusätzliche Gefahren mit denen sich unsere jagenden und sammelnden Vorfahren nicht herumschlagen mussten (Glasscherben und andere spitze Gegenstände auf versiegelten Bögen). Aber abgesehen davon ist viel barfuß laufen nach meiner Meinung mit das Beste, was wir für unsere Füsse tun können. Die zwei wichtigsten Gründe dafür möchte ich hier gerne erläutern:
Unser zweiter Satz Hände
– Eine Unmenge an sensorischen Informationen stimulieren unser Nervensystem.
Die Ähnlichkeit unserer Füsse zu den Händen ist nicht rein äußerlich, auch die sensorische Ausstattung ist den Händen sehr ähnlich. Unmengen von Nervenenden leiten Informationen ans Gehirn weiter und füttern dadurch unser Nervensystem mit Informationen über unsere Position im Raum, die Beschaffenheit des Untergrunds und vieles mehr. Unser Nervensystem nutzt diese Informationen unmittelbar für die Steuerung unseren Bewegungen. Aus diesem Grund trainieren viele Kampfsportler sein Urzeiten barfuß – die komplexen Bewegungen, zum Beispiel eines Drehkicks, sind mit Schuhen wesentlich schwerer umzusetzen. Auch ist man barfuß wesentlich agiler als mit Schuhen, das ist mir zum ersten Mal richtig bewusst geworden, als ich vor Jahren zum ersten Mal mit meinen neuen Barfuß-Schuhen im Gebirge unterwegs war.
Wer öfter längere Zeit Handschuhe trägt, der kennt die Erleichterung, wenn man sie endlich loswird und wieder etwas spürt. Mit den Füssen ist es genau das Gleiche – nur das für die meisten das Tragen von Schuhen der Normalzustand ist und der sensorische Input des nackten Fusses auf Mutter Erde eher die Ausnahme.
Als Kampfsport Lehrer stehe ich täglich mehrere Stunden barfuß in der Trainingshalle und das Sommer wie Winter. Ich bin oft froh, wenn ich nach einem ganzen Tag in Schuhen endlich wieder Luft zwischen meinen Zehen spüre.
Obwohl es mittlerweile über 1300 Studien (pubmed) gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen, gibt es wenig substantielle Informationen darüber, welche Auswirkungen barfuß laufen langfristig haben kann. Ich kann hier nur zwei indirekte Argumente anführen, die meine Ansicht stützen: zum kann das dauerhafte fehlen sensorischer Informationen von den Füssen nicht gesund sein (schließlich ist sensorische Deprivation eine äußerst effektive Foltermethode), zum anderen sehe ich die täglich die positiven gesundheitlichen Effekte von Sportarten wie meinem klassischen Tae Kwon Do, die vermutlich zumindest zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass diese barfuß ausgeübt werden.
Gib Deinen Füssen Gelegenheit sich umzustellen
Wenn Du Dich entschließen solltest, verstärkt barfuß zu laufen oder zu trainieren, dann wirf nicht einfach Deine Schuhe weg. Deine Füsse brauchen, wie jeder andere Körperteil, Zeit, um sich an die neue, ungewohnte Belastung zu gewöhnen. Die in der Einleitung erwähnten orthopädischen Probleme der Five Finger Träger können meines Erachtens nur dadurch zustande gekommen sein, dass sie die neuen Schläppchen unvernünftiger Weise nach dem Kauf sofort für lange Zeit oder unter extremer Belastung getragen haben. Wer immer mit Nike Air und Co. unterwegs war und plötzlich nur mehr 3 mm Gummi unter der Sohle hat, mutet seinen armen Füssen einfach zu viel zu.
Gib Dir ein paar Monate Zeit für die Umstellung und fahre Deine Barfuß-Aktivitäten langsam hoch -Dein Nervernsystem wird es Dir danken.
Happy Feet 😉