Training in der Gruppe – Chancen und Fallstricke

Das beste Rezept für erfolgreiches Training ist so individuell wie jeder Trainierende selbst. Lebensumstände, persönliche Neigungen, räumliche Gegebenheiten – alles spielt eine Rolle, wenn Du mit Deinem Trainingsprogramm langfristig erfolgreich sein willst. In meinem letzten Artikel habe ich ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert und Euch an den Überlegungen, die meinem eigenen Trainingsplan zugrunde liegen, teilhaben lassen. Ich trainieren gerne alleine für mich hin – ich brauche keine Konversationspartner oder Drill Sergants. Für mich hat es etwas von Zen – nur ich und die Kettlebell, Langhantel, Kimmzugstange…. – Aber das bin ich. Das soll ebenfalls nicht heißen, dass ich die Vorzüge des Trainings in der Gruppe nicht auch zu schätzen wüsste.

Viele meiner Schüler trainieren lieber in der Gruppe und das ist schön – denn sonst würden sie ja nicht zu mir kommen ;-). Der Reiz, Sport in einer Gruppe zu machen, liegt für die meisten darin, dass es leichter wird sich zu motivieren, als wenn man auf sich alleine gestellt ist. Zum einen gibt es einen festen Termin, den man einzuhalten hat – das Training beginnt um acht – da stehen alle auf der Matte. Zum Zweiten hat man mehr Grund sich anzustrengen, weil ja die Trainingspartner jede Bewegung mitbekommen. Nach einem guten Tag bekommt man schon mal ein: „Heute warst Du aber gut drauf!“ zu hören, was natürlich die Motivation fürs nächste Training fördert. An schlechteren Tagen will sich keiner eine Blöße geben – das reduziert Trainingsausfälle.

Diese Vorteile beinhalten gleichzeitig auch Risiken, wenn der Gruppenleiter nicht weiß, wie er sie zum Vorteil seiner Schützlinge einsetzt.

Der Gruppenprozess im Training

Wer sich als Trainer der Wechselwirkungen in Trainingsgruppen bewusst ist, kann damit den Spaß am und die Erfolge im Training mehren. Leider findet man auch oft Trainer, die sich nicht die Mühe machen, die Gruppendynamik im Auge zu behalten – was dann entweder freudlose Trainingserfahrungen beschert oder schlimmsten falls mehr Trainingsverletzungen verursacht.

Was ist ein Gruppenprozess?

Als Gruppenprozess bezeichnet man verschiedenen Stufen, die eine Gruppe von Menschen, die einer gemeinsamen Aktivität nachgehen, durchlaufen, um als Team möglichst gut zusammenzuarbeiten. Ich bin kein Soziologe, konnte aber in der Jugendarbeit recht viel Erfahrung damit sammel – meine folgenden Erläuterungen haben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder begriffliche Korrektheit.
Ein Gruppenprozess läuft etwa so ab:
  • Orientierungsphase – die Gruppe ist neu zusammengekommen und alle Teilnehmer müssen sich erst orientieren und die anderen Mitglieder der Gruppe einschätzen. In dieser Phase ist der Gruppenleiter besonders gefordert, da jetzt die Normen für den Umgang innerhalb der Gruppe festgelegt werden.
  • Kontrollphase – hier geht es nun darum die „Hackordnung“ festzulegen. Der Gruppenleiter hat dabei die Aufgabe den einzelnen Charakteren zu helfen sich in ihre Rolle einzufinden. Wenn der Gruppenleiter hier nicht aktiv mitgestaltet, dauern die „Machtkämpfe“ deutlich länger und es gibt Gewinner und Verlierer. Das Ziel sollte sein, diese Phase möglichst schnell hinter sich zu bringen.
  • Synergie-Phase – Die Gruppe hat sich zusammengefunden, jeder hat sein Revier abgesteckt. Es hat sich eine Gruppenkultur gebildet, man lacht über Insiderwitze und gegenseitige Unterstützung ist eine feste Größe im Gruppenalltag. In dieser Phase geschehen die Wunder – die Mitglieder der Gruppe beflügeln sich gegenseitig.
  • Auflösungs-Phase – in diese Phase tritt eine Gruppe ein, wenn die Mitglieder sich langsam auseinanderleben. Aktivitäten außerhalb der Gruppe treten in den Vordergrund. Die Gruppe funktioniert immer noch gut, aber das Ende ist abzusehen.
  • Abschieds-Phase – Nun verlassen die Ersten die Gruppe, um sich neu zu orientieren. Hier ist es als Trainer wichtig den Ablösungsprozess positiv zu gestalten. Nichts hält ewig – aber es gibt immer ein nächstes mal.

Diese Phasen sind nicht linear und vor allen nicht planbar. Sobald sich die Zusammensetzung einer Gruppe verändert, geht es zurück auf Los. Ein geschickter Gruppenleiter / Trainer kann seine Truppe schnell in die Synergie Phase bringen und sie lange dort halten. Wer aufmerksam ist und die Zeichen erkennt, dem kann es sogar gelingen aus der Auflösungsphase zurück in die Synergetische zu wechseln, wenn es ihm gelingt neue Interessenlagen in die Gruppe zu integrieren.

Overhead_Walks auf der Saisoneröffnung

Ein funktionierendes Team geht zusammen in die gleiche Richtung

Und warum so viel Arbeit reinstecken?

Wer den oberen Absatz liest und sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt hat, denkt jetzt vielleicht, dass es super kompliziert ist und sich der ganze Aufwand dann doch nicht lohnt. Dem möchte ich entscheiden widersprechen. Wer es schafft seine Gruppe in die Synergie-Phase zu bringen und zu halten, hat nicht nur zufriedene Kunden. Die Teilnehmer werden auch länger dabei bleiben und bessere Ergebnisse erzielen – und gute Ergebnisse bringen neue Teilnehmer.

 

Risiken im Fitness Bereich

Bei Gruppen, deren Bestehenszweck ist, zusammen zu trainieren, ist die grösste Gefahr, dass es zu einer Wettkampf orientierten Gruppenkultur kommt. Das führt dazu, dass die Teilnehmer sich überfordern / überfordert fühlen. So entstehen Frustrationen und Animositäten in der Gruppe und auch die Wahrscheinlichkeit  von Verletzungen steigt drastisch. Ich achte in meinen Gruppen immer darauf direkte Vergleiche zwischen den einzelnen Teilnehmern zu vermeiden. Natürlich gibt es Wettkampforientierte Charaktere, denen man als Trainer immer wieder Herausforderungen bieten soll, da sie sonst schnell die Lust verlieren. Ich umgehe dieses Problem indem ich meine Teilnehmer dazu anhalte „gegen sich selbst“ anzutreten und lieber mit ihren vergangenen Bestleistungen zu vergleichen statt mit anderen Teilnehmern.
Schwitzen auf dem RKC

Gemeinsam schwitzen beim RKC Grad Workout

Gemeinsam schwitzen beim RKC Grad Workout

 

About Florian

Als einer der ersten RKC Kettlebell Instruktoren in Deutschland ist Florian ständig dabei seine Fertigkeiten im Umgang mit der Kettlebell und sein Wissen zu erweitern. Im vorliegenden Blog berichtet er sein seit 2012 von seinen Erfahrungen und gibt Tipps für den Umgang mit der Eisenkugel, fürs eigene Training und vieles mehr.
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