Transfer …

Im funktionalen Training hat der Transfer einen sehr hohen Stellenwert. Damit ist gemeint wie hoch der Übertrag eines Trainingsprogramms auf eine Zielaktivität ist. Wenn ich also zum Beispiel in der Beinpresse beuge, kann ich dann höher Springen? (vielleicht) – oder ist der Übertrag besser wenn ich herkömmliche Kniebeugen mache (sehr wahrscheinlich). Ist der Übertrag von Langhantel-Backsquats besser als der von Frontsquats mit Kettlebells (nicht nach meiner Erfahrung).

Je komplexer die Anforderungen einer Zielaktivität, um so schwieriger wird es diese Fragen zu beantworten, vor allem auch dadurch das die verschiedenen Aspekte eines Trainingsprogramms Effekte auslösen können die in der Zielaktivität gegeneinander arbeiten. Um beim vorigen Beispiel zu bleiben: Langhantel-Backsquats stärken natürlich enorm die Beine, was Sprünge begünstigt, lösen aber auch starke Hypertropie aus was den Sportler schwerer macht.

Die Diskussion darüber welches Trainingsgerät oder -Programm den besten Transfer bringt wird meist mit eben so viel Eifer wie Kurzsichtigkeit geführt. Nach meiner Erfahrung lassen sich hier keine Pauschalen Aussagen treffen. Wahr ist, dass integrierte Übungen die natürliche Bewegungsmuster nachbilden eher einen Übertrag auf athletische Anwendungen haben als isolierte Übungen. Daraus kann man ableiten das Geräte wie die Kettlebell, die dem Sportler viele Freiheitsgrade in der Übungsausführung erlauben,  mehr Transfer auslösen als andere Trainingsgeräte – eine Annahme die oft zutrifft, aber eben nicht immer.

Letzten Endes lassen sich nur durch genaue Analyse der Zielaktivität Prognosen über den bestmöglichen Übertrag eines Programmes oder Gerätes aufstellen. Ein Programm das einen MMA Kämpfer zur perfekten Kampfmaschine werden lässt kann bei einem Boxer nur mäßige Erfolge erzielen oder ihn im ungünstigsten schlimmsten Fall im Ring sogar schwächen. Eine Beinübung die einem Langstreckenläufer die optimale Kombination aus Kraftausdauer und Stabilität bietet, kann für einen Kletterer komplette Energieverschwendung sein. Außerdem spielen die individuellen Fähigkeiten, die Veranlagung und der Trainingszustand eines Athleten eine zentrale Rolle. Was bei einem Spitzensportler klappt, kann einen ambitionierten Breitensportler unter Umständen in die Notaufnahme bringen – es wird aber auf keinen Fall nicht den gleichen Effekt bringen. Umgekehrt gilt aber auch, das ein Programm das bei Anfängern wahre Wunder bewirkt einen Topathleten gnadenlos zugrunde richten kann. Zu guter letzt muss jedes Programm oder Gerät individuell ausprobiert werden um festzustellen ob die vermutete Wirkung auch tatsächlich eintritt.

Eine pauschale Aussage darüber ob ein Gerät oder Programm guten Übertrag hat ist also der Versuch eine einfach Lösung für eine Gleichung mit praktisch beliebig vielen unbekannten zu formulieren – es ist Unsinn.

Die Aufgabe wird einfacher, wenn wir für einige Variablen Annahmen treffen.

Eigenbeispiel:

Als Beispiel für den Transfer eines einfachen, funktionalen Trainingsprogramms nehme ich mich selbst, bevor ich die Kettlebell, und damit funktionales Training kennen lernte:

  • Damals war ich anfang 30
  • Hatte schon über 10 Jahre Tae Kwon Do gemacht (mein Schwarzgurt war noch recht frisch)
  • Guter Trainingszustand, aber  seit einiger Zeit mäßige Fortschritte.

Ungefähr das war die Situation in der Robert Rimoczi mich mit der Kettlebell in Kontakt brachte. Schon alleine das einüben der sechs Grundübungen während seines Anfängerkurses (Swing, Getup, Clean, Military Press, Goblet Squat und Snatch) brach mein damaliges Plateau derart schnell, das ich sofort vom Training mit der Kettlebell überzeugt war. Da ich vorher ausschließlich Tae Kwon Do trainierte, war es aus heutiger Sicht kein Wunder dass ein ergänzendes Programm so durchschlagende Ergebnisse brachte. Heute habe ich verstanden das es schwer, wenn nicht unmöglich ist sich die physischen Voraussetzungen (zum Beispiel für einen kraftvollen, hohen Tae Kwon Do-Kick) zu erarbeiten, wenn man dazu nur die entsprechenden Übungen nutzt. Ein Sportler kann einfach nicht mehr in einer Technik hineinlegen als er aktuell zur Verfügung hat – um eine physische Anpassungsreaktion auszulösen braucht es aber eine gezielte Überladung der entsprechenden Bewegungsmuster. Das Kettlebell Training brachte mir damals genau diese gezielte Überladung – und die zusätzliche Kraft wirkte sich spürbar auf meine Tae Kwon Do-Techniken aus.

Was hat sich durch das Training zusätzliche Training mit der Kettlebell an meinem Tae Kwon Do verändert?

Der erste Effekt der sich einstellte war mehr Power – meine Kicks kamen kraftvoller. Meine Kraftausdauer wurde spürbar besser, so das ich im Sparring weniger schnell müde wurde. Bei schwierigen Techniken wie Sprungkicks, die mir vorher schwer gefallen sind bemerkte ich auch eine Verbesserung – ich bin immer noch kein Gummiball, aber ich springe mit Mitte 40 mit besser als damals vor 10 Jahren.

Die Gute Nachricht

Die gute Nachricht, zumindest für die meisten von uns ist das bei relativ unspezifischen Anforderungen (wie praktisch alle außer Spitzensportlern sie haben) wenige Grundregeln sicherstellen  das Du Ergebnisse merken wirst:

  • Konsistenz schlägt alles – egal wie gut oder schlecht Dein Programm oder die Geräte das Du benutzt zu Deinen Zielen passen: Ergebnisse gibt’s nur bei regelmäßiger Anwendung.
  • Logik hilft – Wenn Du höher Springen willst, sind Klimmzüge nicht das Mittel der Wahl, egal wie gut Du sie kannst. Für springen brauchst Du starken Beine, willst Du das besser springen, trainiere Deine Beine – auch wenn Du keine darauf Lust hast.
  • Trainiere den ganzen Körper – überlasse Isolationsübungen den Spitzensportlern und den Reha-Patienten.
  • Vom allgemeinen zum Speziellen – Bevor Du Dir spezifische Übungen ausdenkst die genau auf Deine individuellen Stärken und Schwächen abgestimmt sind, stelle sicher das Du eine solide Basis bei allen Grundübungen hast. Du brauchst kein Haus squaten zu können, aber wenn Dir eine Kniebeuge mit 50 KG schwer vorkommt brauchst Du definitiv keine Pistol.

Keep it Simple – and keep Training…

About Florian

Als einer der ersten RKC Kettlebell Instruktoren in Deutschland ist Florian ständig dabei seine Fertigkeiten im Umgang mit der Kettlebell und sein Wissen zu erweitern. Im vorliegenden Blog berichtet er sein seit 2012 von seinen Erfahrungen und gibt Tipps für den Umgang mit der Eisenkugel, fürs eigene Training und vieles mehr.
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