Weg mit den Bundesjugendspielen?

Derzeit läuft eine Petition mit dem Ziel die seit 1951 jährlich abgehaltenen Bundesjugendspiele abzuschaffen. Die wurde von Christine Finke aus Konstanz ins Leben gerufen – einer Mutter eines Jungen, der zu den jährlich tausenden Verlierern der altehrwürdigen Spiele gehört.

https://www.change.org/p/petition-bundesjugendspiele-abschaffen-manuelaschwesig

Fast 13000 Menschen haben schon unterzeichnet. In den sozialen Medien wird heiß darüber diskutiert – die einen finden die Idee unerhört, eine so alte und den Sport fördernde Tradition anzugreifen, die anderen sind Feuer und Flamme und wollen die Spiele am besten sofort abgeschafft wissen. Was steckt dahinter?

Die Gegner der Bundesjugendspiele

Die Gegner der Bundesjugendspiele bemängeln, dass dieser für alle Schüler verpflichtenden „Wettbewerb“ all denen den Sport vermiest, die von Haus aus kein Talent dafür mitbringen. Wer Jahr für Jahr zu den langsamsten und schwächsten in seiner Klasse gehört und das auch noch vor versammelter Mannschaft bescheinigt bekommt, betrachtet sich selbst bald als Versager und verliert jegliche Lust sich sportlich zu betätigen.

Auch ich finde es wirklich schrecklich – wenn die Veranstaltung auch nur einem Kind in Deutschland den Spaß an der Bewegung vermiest, dann hat sie meines Erachtens ihr Ziel verfehlt!

Bundesjugendspiele eine alte Tradition

Seit 60 Jahren gibt es sie, die Bundes Jugend Spiele (Quelle: Immanuel Giel (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons)

Die  Befürworter halten dagegen

Viele andere lehnen die Petition als unsinnig ab. Sie argumentieren, dass in einer Zeit in der Schulsport immer das erste Fach ist das ausfällt, keine weiteren sportlichen Aktivitäten in der Schule reduziert werden sollten. Nebenbei hatten wir noch nie so viele übergewichtige Kinder wie in den letzten Jahren – auch das spricht klar dagegen.

Auch diese Meinung teile ich aus ganzem Herzen – unsere Kinder sind, im Bevölkerungsdurchschnitt, die unbeweglichste Generation, die es je gab. Auch in meiner täglichen Arbeit im Tae Kwon Do Training mit Kinder und Jugendlichen sehe ich das immer wieder: 8 Jährige die ihre Zehen weder im Sitzen noch im Stehen erreichen können, für die eine einzige Liegestütze eine unlösbare Aufgabe ist.

Schon heute haben Rückenbeschwerden und co. epidemische Verbreitung erreicht und doch bin ich mir sicher (auch wenn ich das nicht durch entsprechende Daten belegen kann), dass die Generation der heutigen Rückenpatienten in der Kindheit weit mehr Bewegung abbekommen haben. Wie wird die Statistik aussehen, wenn die heutige junge Generation in die Dreißiger und Vierziger kommt?

Beide Seiten haben Recht

Ich stimme also den Argumenten der Befürworter der Abschaffung, wie auch denen ihrer Gegnern aus ganzem Herzen zu! Was sich nach einem Dilemma anhört ist in Wirklichkeit eine ganz einfache Sache. Ich bin der Meinung, dass die Bundesjugendspiele, nach 60 Jahren ihres Bestehens dringend eine Modernisierung benötigen. Seit der Mitte des letzten Jahrhundert hat sich die Lebenswelt unserer Kinder so dramatisch verändert, das ein in die heutige Zeit verpflanzter 8 Jähriger aus den 50ern sich wie in einem Science Fiktion Film vorkommen würde (falls er einen solchen schon mal gesehen hätte).

Mein Vorschlag für zeitgemäße Bundesjugendspiele:

Ich schlage vor den Begriff wörtlicher zu nehmen und dem Ganzen einen spielerischeren Touch zu geben. Weg mit den Pflicht-Wettkämpfen – dafür mehr Gelegenheiten zum Spielen und Ausprobieren. In Zusammenarbeit mit örtlichen Vereinen könnte man vormittags den Kindern ermöglichen ohne Druck auszuprobieren, was ihnen Spaß macht. Da die jeweiligen Ansprechpartner gleich Vorort sind, können sie im Anschluss gleich weiter trainieren und so ein lebenslanges gesundes Verhältnis zum Sport entwickeln.

Am nachmittag würde ich dann offene Wettkämpfe veranstalten, für alle die wollen – da dann deutlich weniger Teilnehmer sein werden, kann im Anschluss an jeden Wettkampf gleich eine Siegerehrung stattfinden. Alle die nicht aktiv teilnehmen, können zuschauen und anfeuern, vielleicht bekommen sie so Lust im nächsten Jahr selbst anzutreten.

Würde ich in meinem Tae Kwon Do Studio Kinder dazu zwingen gegen Gleichaltrige aber überlegene Gegner anzutreten, könnte ich mich sicherlich bald auf die Kündigung und ggf. eine Anzeige erboster Eltern freuen – warum also muss es in der Schule sein.

In den USA wurde etwas Ähnliches bereits erfolgreich umgesetzt

In seinem hervorragenden Buch Spark! (leider bisher nur in englischer Sprache) berichtet Dr. John Rately über ein hoch interessantes Experiment in Naperville USA:
Im dortigen Schulbezirk wurde die Priorität des Sportunterrichts von einem eher unwichtigen Nebenfach zum wichtigsten Hauptfach angehoben.

Gleichzeitig wurden die Benotung von der traditionellen, leitungsmäßigen Ergebnissen verändert zu einer Anerkennung des jeweiligen Einsatzes das ein Kind zeigt – das wird über simple Herzfrequenzmessung realisiert. Dr. Rately’s Beschreibung des Experiments hört sich für mich wie eine Utopie an, die zu schön ist, um wahr zu sein! Da gib es freiwillige Sportstunden vor der Schule (die auch noch besucht werden). Junge Erwachsene, die in Naperville die Schule besucht haben und bereits in die Universität gehen, berichten das Sport für sie zum lebensbegleitenden Hilfsmittel geworden ist, wann immer sie sich gestresst oder angespannt fühlen.
Die Schüler von Naperville sind seit Jahren die fittesten und schlankesten der ganzen USA – und nicht genug damit – auch noch die dritt schlauesten!

Ich denke es ist einen Versuch wert, die Tradition der Bundesjugendspiele mit einem neuen und zeitgemäßeren Konzept auf die Lebenswelt unserer Kinder anzupassen.

In diesem Sinne – bleibt in Bewegung!

Euer Flo.

 

 

 

 

 

 

About Florian

Als einer der ersten RKC Kettlebell Instruktoren in Deutschland ist Florian ständig dabei seine Fertigkeiten im Umgang mit der Kettlebell und sein Wissen zu erweitern. Im vorliegenden Blog berichtet er sein seit 2012 von seinen Erfahrungen und gibt Tipps für den Umgang mit der Eisenkugel, fürs eigene Training und vieles mehr.
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